Mehr als 40 Millionen Stimmberechtigte sind in Südkorea aufgerufen, den Nachfolger von Präsident Lee Myung Bak zu wählen. Lee kann sich gemäss der Verfassung nicht wiederwählen lassen.
Die Tochter des früheren Diktators Park Chung Hee, Park Geun Hye, hat gute Chancen, als erste Frau ins höchste Staatsamt des ostasiatischen Landes gewählt zu werden. Die 60-jährige Kandidatin und frühere Chefin der regierenden konservativen Saenuri-Partei lag nach den letzten Umfragen in der vergangenen Woche knapp vor dem Oppositionspolitiker Moon Jae In von der Demokratischen Einheitspartei (DUP).
Der Schlachtruf des Vaters
«Lasst uns gut leben!»: Im Wahlkampfendspurt ertönt wieder der Schlachtruf des einstigen Militärmachthabers Park Chung Hee. Ausgestossen hat ihn seine Tochter Park Geun Hye. Am Dienstag versprach sie, das Wirtschaftswunder ihres Vaters zu wiederholen.
Unter der von 1961 bis 1979 währenden Herrschaft Park Chung Hees wandelte sich Südkorea von einem armen Land, das nach dem Korea-Krieg am Boden lag, in eine bedeutende Exportmacht und einen der wirtschaftsstärksten Staaten Ostasiens. Im ganzen Land wurden damals die Menschen mit einem Schlager beschallt, der das Motto «Lasst uns gut leben!» aufgriff. Die Südkoreaner sollten so angetrieben werden, kräftig in die Hände zu spucken und für ihren Wohlstand zu schuften.
Alle Karten auf Wachstum setzen
Jahrzehnte später will Park Geun Hye mit demselben Motto ihrer Partei Mut machen und um Stimmen werben. Ihren Landsleuten, die sich nach ihren Worten mit immensen privaten Schulden, hohen Bildungskosten für ihre Kinder und Altersarmut plagen, verspricht Park ein rasches Wirtschaftswachstum und neue Jobs. Ihre Rezepte heissen Innovation und Investitionen in Forschung und Wissenschaft. Der südkoreanische Kospi-Index solle auf 3000 Punkte klettern - derzeit liegt der Aktienindex unter 2000 Punkten. Um das zu erreichen, setzt Park auf neue Märkte und Wachstumsmotoren. Sie will auch den Anteil der Sozialausgaben erhöhen - um wie viel, hat sie nicht verraten. Mehrausgaben soll es jedoch nicht geben. Da spricht vieles für Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen.
Park hauchdünn vorn
Es könnte knapp werden für Park Geun Hye. Den jüngsten Umfragen zufolge liegt sie nur 0,5 Prozentpunkte vor ihrem linken Rivalen Moon Jae In. Der hat in den vergangenen Wochen aufgeholt. Moon verspricht ein 18 Milliarden Dollar schweres Paket für mehr Arbeitsplätze, durch das er mehr Wohlstand, Wachstum und wirtschaftliche Demokratie schaffen will. So will Moon die Mindestlöhne anheben und mehr Zeitarbeiter in der Privatwirtschaft in feste, dauerhafte Beschäftigung bringen. Die Zahl der Zeitarbeiter soll halbiert werden.
Moon unterstrich auch die Verquickung seiner Konkurrentin mit der Regierungspartei: «Wenn man sie nicht zurechtstutzt, dann werden die Fehler Bestand haben. Es ist Zeit, Härte zu zeigen, die Rute zu nehmen und sie zu schlagen. Morgen ist dazu Gelegenheit.»
Eine Männergesellschaft
Letztlich könnte die Demografie in Südkorea die Wahl entscheiden. Die Älteren werden Experten zufolge eher der konservativen Park ihre Stimme geben. Die Jüngeren, die oft noch unentschieden sind, tendieren mehr zu Moon. Seit Jahren altert die Bevölkerung in Südkorea. Und ob die männlich strukturierte Gesellschaft sich schon für reif genug für eine Präsidentin hält, ist offen. Wie es sich da auswirken mag, dass die 60jährige Park nie verheiratet war und keine Kinder hat, steht auf einem ganz anderen Blatt.