Cayden ist fünf. Seit drei Jahren übernachtet er mit seiner Mutter mal bei Bekannten, mal in der Notschlafstelle, mal in einem Auto. Seine Mutter Christine Coggins sagt: «Mein Ex-Mann warf uns hinaus auf die Strasse.» Er, der Vater, sitzt nun im Gefängnis.
Die Frau ist an diesem Tag in die Wohnungsvermittlungsstelle für Obdachlose in San Francisco gekommen. Cayden sitzt auf dem Boden und spielt mit einem Spielzeugauto. «Cayden: Erzähl der Frau wie es ist, obdachlos zu sein», sagt seine Mutter. «Traurig», antwortet der kleine Junge. Er musste bereits mehrmals den Kindergarten wechseln und hat Lernschwierigkeiten.
Unsichtbare Obdachlose
«Es ist wirklich hart für ihn. Und das macht es hart für mich. Der einzige Weg für mich, auf eigenen Beinen stehen zu können, ist in die Schule zu gehen.» Als frühere Drogenabhängige findet sie keine Arbeit.
Der Mindestlohn kann mit den steigenden Lebenskosten nicht mithalten.
Christine und Cayden Coggins sind eine von vielen Familien in Kalifornien ohne Dach über dem Kopf. Eine halbe Million Kinder sind davon betroffen. Sie sind die unsichtbaren Obdachlosen, denn sie bleiben selten auf der Strasse. Sie kommen bei Bekannten unter oder schlafen in Notschlafstellen. «Die meisten leben in den Städten, wo der Mindestlohn mit den steigenden Lebenskosten nicht mithalten kann», erklärt Trent Rhorer, Chef der städtischen Sozialdienste in San Francisco.
Nicht genügend Sozialunterkünfte
Familien, die vom Mindestlohn von acht Dollar pro Stunde leben müssen, können die hohen Mieten nicht bezahlen. Trotz Wirtschaftsaufschwung ist die Zahl der Obdachlosenfamilien nicht gesunken. «Der Wirtschaftsboom hat viele Familien hinter sich gelassen. Hier in Kalifornien lebt jedes vierte Kind unter der Armutsgrenze», sagt Rhorer.
Was die Lage erschwert: Es gibt in den Städten nicht genügend Sozialunterkünfte. Coggins und ihr Sohn werden mindestens sechs Monate auf eine städtische Unterkunft warten müssen. Und die Stadt stellt sie für maximal sechs Monate zur Verfügung. Die prekäre Zeit ist für die beiden noch lange nicht vorbei. «Deshalb musste ich vorher weinen», sagt Coggins. «Weil er leidet. Ich höre jeden Abend, wie er sagt: Mama, wann werden wir eine Wohnung haben? Mama, werden wir immer obdachlos bleiben?»