Der Entscheid des Internationalen Olympischen Komitees , Russland nicht komplett von den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro auszuschliessen, stösst weltweit auf wenig Verständnis: «Das IOC hatte die Chance, ein Statement abzugeben. Die wurde vergeudet», sagt Richard Pound, ehemaliger Chef der Anti-Doping-Agentur Wada. Bach und das IOC hätten null Toleranz gegenüber Doping, «ausser es geht um Russland», so Pound.
Jörg Schild, Präsident von Swiss Olympics, sagt: «Wir fühlen uns echt betrogen.» Zum einen sei man überrascht, dass nun offenbar die internationalen Verbände und nicht das IOC bei der Organisation der Olympischen Spiele das Sagen habe. Zudem sei man enttäuscht, «dass das IOC sämtliche Verantwortung vermissen lässt und den Schwarzen Peter einfach weitergibt».
«Schlag ins Gesicht»
Das sieht auch SRF-Sportexpertin Susy Schär so: Das IOC schiebe die Verantwortung an die Sommerverbände weiter. Eigentlich sei die Faktenlage des Wada-Berichtes erdrückend, «man hätte Russland sperren müssen.» Schär ist überzeugt, dass das IOC sich mit dem Entscheid schadet «und in die wohl grösste Krise seit Jahrzehnten schlittert».
Schär geht davon aus, dass «eher ein grösseres russisches Team» in Rio antreten wird. Um juristische Rekurse zu vermeiden, «wird man wohl einige Athleten durchwinken». Der IOC-Entscheid sei deshalb «ein Schlag ins Gesicht eines jeden Athleten, der in den vergangenen Jahren regelmässig im Training kontrolliert worden ist.»
Russland zeigt sich hocherfreut
In Russland zeigt man sich – wenig überraschend – höchst erfreut über die Nachricht aus Lausanne: Sportminister Witali Mutko ist überzeugt, dass der Entscheid «im Interesse des internationalen Sports und der olympischen Familie» liege. Russland sei dem IOC dankbar, dass das Land nicht komplett von Olympia in Rio de Janeiro ausgeschlossen werde und es «jedem sauberen Sportler eine Chance auf eine Teilnahme gibt», so Mutko.
Der Sportminister geht nun davon aus, dass die meisten russischen Sportler in Rio starten dürfen. «Die Kriterien sind sehr hart, aber ich bin überzeugt, dass die meisten Athleten sie erfüllen.» Russland werfe sein komplettes Antidopingsystem umbauen – in enger Zusammenarbeit mit dem IOC und der Antidoping-Agentur Wada. «Wir werden für einen sauberen Sport kämpfen. Nur uns zu kritisieren, scheint mir nicht ganz korrekt», so Mutko weiter, «Doping ist nicht nur ein Problem Russlands.»
Demonstrativ hatte Kremlchef Wladimir Putin am vergangenen Freitag die Gründung einer neuen Anti-Doping-Kommission in Russland angekündigt – womöglich auch, um einem Komplett-Bann zu entgehen. Die Leitung der Kommission soll vermutlich der 81-jährige Witali Smirnow übernehmen, der seit 45 Jahren IOC-Mitglied ist. «Er hat einen absolut tadellosen Ruf und geniesst das Vertrauen der olympischen Familie», sagte Putin der Agentur Interfax zufolge.