Den Electrolux-Mitarbeitern in Italien drohen massive Lohnsenkungen. Um den Fall zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte. Als die italienische Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg am Boden lag, pumpten die USA mehr Geld in den Wiederaufbau des «Belpaese» als nach Deutschland. Es galt, sofort Arbeitsplätze zu schaffen, damit die kommunistische Partei nicht noch mehr Zulauf erhielte. Die Südflanke Europas sollte nicht zu moskaufreundlich werden.
Wirtschaft mit Abwertung in Gang gehalten
Das Konzept der USA war einfach: Mit Milliarden aus Washington die Industrie Norditaliens aufbauen, damit es für die norditalienischen Spezialisten, aber vor allem auch für die süditalienischen und meist verarmten Arbeiter, genügend Jobs gibt. Italien, so die Idee, sollte die Werkbank Europas für günstige Massenware werden.
Das Konzept funktionierte. Bis in die 80er Jahre erlebte das Land immer wieder Phasen mit starkem Wirtschaftswachstum. Und kam der Motor einmal ins Stottern, wertete die Nationalbank die italienische Lira kurzerhand ab. Sofort waren die Güter Italiens preislich wieder konkurrenzfähig.
Doch die ständige Abwertung machte viele italienische Unternehmer faul. Statt ihre Produkte zu verbessern und so der Konkurrenz Paroli zu bieten, warteten viele darauf, dass die Notenbank intervenierte und ihre Probleme löste.
Lohnniveau seit 1995 nicht mehr gestiegen
Bis Mitte der 90er Jahre funktionierte das auch. Doch ab dann bekamen die auf Billigprodukte spezialisierten Unternehmen – dazu gehören auch Elektrogerätehersteller wie Electrolux – die wachsende Konkurrenz aus Asien zu spüren. Hinzu kam, dass mit der Einführung des Euro ab der Jahrtausendwende keine Währungsabwertungen mehr möglich waren.
Italiens Unternehmer reagierten aber auch dann nicht mit einem Innovationsschub. Vielmehr begannen einige, keine Lohnerhöhungen mehr zu gewähren. Italiens Durchschnittsgehälter stiegen deshalb seit 1995 kaum mehr.
Andere versuchten, mit immer mehr Schwarzarbeitern über die Runden zu kommen. Für sie zahlt man keine Sozialabgaben. Doch wer seine Angestellten schlecht bezahlt und auspresst, kann nicht darauf hoffen, dass von ihnen innovative Ideen kommen.
Italienischer «Familiarismo» steht im Weg
Der Industriellenverband Confindustria kennt die Probleme: Er ruft seine Mitglieder permanent auf, sich zu grösseren Firmen zusammenzuschliessen und mehr in Forschung und Entwicklung zu investieren. Doch er stösst damit auf taube Ohren.
Viele Firmen sind nach langen Jahren der Krise finanziell ausgeblutet. Oder die Patrons wollen sich partout mit niemanden zusammentun. Denn das würde bedeuten, dass ein fremder Einsicht in innerfamiliäre Sitten und Beziehungsgeflechte bekäme. Also setzen viele von ihnen nach wie vor auf Massen- und Billigproduktion, obwohl sie damit gegen Konkurrenz aus Osteuropa und Asien keine Chance haben.
Der Fall Electrolux ist exemplarisch. Die Forderung des schwedischen Haushaltsgerätebauers, die Löhne seiner rund 7000 Mitarbeiter in Italien auf polnisches Niveau zu senken, ist zwar zweifellos drastisch. Sie zeigt aber auch, wie verzweifelt viele Unternehmen sind – unterdessen nicht mehr nur die mittleren und kleinen, sondern auch die grossen.