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International Italiens Ex-Regierungschef Andreotti ist tot

Giulio Andreotti, siebenfacher Regierungschef und prägende politische Gestalt im Italien der Nachkriegszeit, ist tot. Andreotti starb im Alter von 94 Jahren in Rom, wie seine Familie mitteilte.

Giulio Andreotti ist tot. Der 94Jährige, der in den vergangenen Jahren schon mehrmals schwer krank war, starb am Montagmittag in seinem Haus in Rom, nachdem sich sein Gesundheitszustand in den vergangenen Tagen massiv verschlechtert hatte.

Viele Politiker reagierten mit Trauer und Mitgefühl auf den Tod des früheren Regierungschefs. Bei allen Sportveranstaltungen in Italien in dieser Woche soll es eine Schweigeminute geben.

 

«Andreotti war die Politik: Er hat das Gute und das Böse vereint. Eine aussergewöhnliche Persönlichkeit», sagte Pier Ferdinando Casini, der Chef der Zentrumsunion. Roms Bürgermeister Gianni Alemanno betonte: «Im Namen der ganzen Stadt Rom will ich meinen tiefen Schmerz über den Tod von Giulio Andreotti ausdrücken.»

Ein Leben für die Politik

Andreotti war Minister in 33 italienischen Regierungen und vier Jahrzehnte lang Dreh- und Angelpunkt der italienischen Politik. Mehr als 60 Jahre lang agierte der gebürtige Römer auf der politischen Bühne Italiens und überstand währenddessen auch mehrere Prozesse wegen Mord- und Mafiaverstrickungen.

Seine Karriere begann Andreotti nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. 1947 wurde er ins Parlament gewählt, 1954 war er erstmals Minister. Zunächst wurde er Innenminister, später Finanz-, Verteidigungs- und Aussenminister.

1972 führte Andreotti erstmals eine Regierung. Insgesamt war der Christdemokrat Andreotti siebenmal Ministerpräsident. Auch in den letzten Jahren vor seinem Tod mischte der Senator auf Lebenszeit noch in der Politik des Landes mit.

«Er war ganz sicher ein Anführer, wenn auch sehr umstritten in vielen Momenten seiner langen Karriere und für sein Machtverständnis», sagte der frühere italienische Ministerpräsident Massimo D'Alema.

Viele Geheimnisse und gute Kontakte zur Sowjetunion

«Andreotti wurde auch schon als aktiver Politiker von allen geschätzt und respektiert», sagt SRF-Italien-Korrespondent Massimo Agostinis. «Er konnte auf der einen Seite die Democrazia Cristiana, eine riesige Volkspartei, mit all ihren Strömungen immer wieder hinter sich scharen. Er konnte aber auch mit den Kommunisten verhandeln.»

Die damalige Dekade in Italien war geprägt von linkem und rechtem Terror. «Er hat es immer wieder geschafft, dieses Land durch diese heftige Zeit zu manövrieren. Das ist sicher ein Verdienst von ihm.»

Andererseits, so der Korrespondent, habe Andreotti auch viele Geheimnisse gehabt und gekannt. «Diese Geheimnisse haben ihm auch sehr viel Macht gegeben.»

Aussenpolitisch verfolgte Andreotti einen eigenen Kurs: Er pflegte beste Beziehungen zur Sowjetunion. Dies nicht nur aus politischen Gründen, sondern weil die Sowjetunion über viele Rohstoffe verfügte.

System Andreotti: Allen etwas geben

«Andreotti hat den Untergang der Democrazia Cristiana fast unbeschadet überstanden», sagt Agostinis. Er war zwar ihr Chef, er war die dominante Kraft in dieser Partei während fast 50 Jahren.

Er habe die Korruption nicht bekämpft und die Vetternwirtschaft weitergepflegt. «In Italien spricht man auch vom System Andreotti. Das bedeutet: allen ein bisschen etwas geben.»

Indirekt habe Andreotti in Silvio Berlusconi einen würdigen Nachfolger gefunden. Dieser gehe innerhalb seiner Partei ganz ähnlich vor, sagt der Korrespondent.

Andreotti und die Mafia? Vieles bleibt im Dunkeln

Auch, dass er immer wieder in die Nähe der Mafia gerückt wurde, hat Andreottis Image nicht wirklich geschadet. In einem Prozess wurde er in erster Instanz zu 24 Jahren Haft verurteilt, später aber wieder freigesprochen.

«Vermutlich ist die Wahrheit, dass Andreotti selbst nicht ein direkter Mafioso war. Vielleicht hatte er hin und wieder Kontakt zur Mafia.» Das sei jedoch kaum zu umgehen, wenn man so lange in der Politik tätig ist.

Andreotti habe die Mafia allenfalls insofern gefördert, als dass er nichts gegen sie unternommen habe, sagt Massimo Agostinis

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