Im Streit zwischen dem IT-Konzern Apple und der US-Bundespolizei FBI um die Entsperrung von iPhones, das einem Terroristen gehört hatte, gibt es möglicherweise eine Wende: Das FBI gab bekannt, es habe von dritter Seite Tipps erhalten, wie man das Gerät entsperren könne – also ohne das Mitwirken von Apple.
Auch wenn dies gelingen sollte, ist die Diskussion um verschlüsselte Daten, den Persönlichkeitsschutz und Rechte der Strafverfolgungsbehörden keineswegs beendet. Grundsätzlich sei es wichtig, dass ein Gericht den Einzelfall prüfe, sagt der Zürcher Uniprofessor Rolf H.Weber im Interview.
SRF News: Wie beurteilen Sie die jüngste Entwicklung im Streit zwischen FBI und Apple um die Entsperrung eines iPhones?
Rolf H. Weber: Ich halte dies für sehr problematisch. Denn falls das FBI das fragliche Gerät knacken kann, kommt es nicht zu einem Gerichtsverfahren. Damit wird die Frage, ob die staatlichen Sicherheitsdienste dies tun dürfen, nicht von einem Gericht beurteilt und beantwortet.
Apple-Chef Tim Cook bleibt hart, anlässlich einer Produkte-Präsentation sagte er am Montag, man werde sich dem FBI nicht beugen. Man werde keine Hacker-Software für iPhones entwickeln, die Millionen von Kunden angreifbar mache. Können Sie diese Haltung nachvollziehen?
Ja. Es ist richtig, dass ein Gericht über die Frage entscheidet und die rechtlichen Prinzipien auf den Fall anwendet. Diese sind grundsätzlich immer zu beachten, wenn es um einen Eingriff in ein Grundrecht geht. Zu diesen Prinzipien gehören das öffentliche Interesse und die Verhältnismässigkeit. Eine Beurteilung im Einzelfall liegt allein beim Gericht.
Wieso wohl ist das FBI vorgeprescht? Ist der US-Bundespolizei der Geduldsfaden gerissen?
Die inneren Überlegungen des FBI sind mir natürlich nicht bekannt. Klar ist, dass es schneller geht, wenn es technisch gelingt, eine Verschlüsselungssoftware zu knacken. Doch die Geschwindigkeit darf nicht auf Kosten der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger gehen. Wenn es tatsächlich um die Daten eines Terroristen geht, besteht auch eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein Gericht zu Gunsten der Strafverfolgungsbehörden entscheidet.
Müsste es nicht im Interesse von Apple und anderen Anbietern liegen, mit dem FBI zusammenzuarbeiten? Ansonsten besteht doch die Möglichkeit, dass ihnen die Kontrolle über die Software und die Verschlüsselung entgleitet?
Es ist nicht Aufgabe eines Anbieters, mit Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten. Der Anbieter hat eine Vertragsbeziehung mit dem Kunden und in diesem Zusammenhang sind die Grundrechte des Kunden zu schützen. Wenn nun die Interessen der Strafverfolgungsbehörden tatsächlich überwiegen, wird das Gericht im Einzelfall auch das Knacken der Software anordnen.
Wie könnte eine Lösung aussehen, um die gegensätzlichen Ansprüche – Schutz der Privatsphäre respektive öffentliches Interesse der Strafverfolgung – unter einen Hut zu bringen?
Das Gericht entscheidet grundsätzlich aufgrund des Prinzips des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit, ob die Strafverfolgungsbehörden an gewisse Informationen herankommen sollen. Konkret könnte Apple eine Versiegelung der entsprechenden Knack-Software verlangen. Ein Richter könnte andererseits entscheiden, unter welcher Voraussetzung eine Entsiegelung vorgenommen werden darf.
Das Gespräch führte Daniel Eisner.