Frankreich hat empört auf Berichte über US-Abhöraktionen gegen mehrere französische Präsidenten reagiert. Die amerikanischen Spionage-Praktiken seien inakzeptabel, sagte Premierminister Manuel Valls. Er forderte Washington auf, alles tun, um die entstandenen Schäden für die Beziehungen zu reparieren.
Das Pariser Aussenministerium bestellte die US-Botschafterin ein und forderte zügige Antworten des Verbündeten, Staatschef François Hollande beschwerte sich in einem Telefonat bei Präsident Barack Obama. Die USA bemühten sich um Schadensbegrenzung.
«Wir nehmen die Kommunikation von Präsident Hollande nicht ins Visier und werden sie nicht ins Visier nehmen», sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, Ned Price. Diese Zusage von Ende 2013 erneuerte Obama nach Angaben des Weissen Hauses auch heute im Telefonat mit Hollande.
Drei Präsidenten im Visier der NSA
Erst gestern hatte die Enthüllungsplattform Wikileaks Geheimdienstdokumente veröffentlicht, die das Ausmass der NSA-Spionage in Frankeich belegen sollen. Demnach wurde jahrelang auch die französische Staatsspitze ausgespäht.
So haben die USA nach Informationen der Enthüllungsplattform im Zeitraum von 2006 bis 2012 die drei französischen Präsidenten Jacques Chirac, Nicolas Sarkozy und François Hollande abgehört. Zudem sei auch die Kommunikation von ranghohen Regierungsvertretern überwacht worden. Dies berichteten die französische Zeitung «Libération» und die Enthüllungsplattform Mediapart.
Frankreichs Politiker sind empört
Die Entrüstung unter Frankreichs Politikern ist gross, und Staatschef Hollande reagierte prompt: Paris würde eine solche «untolerierbare Spionage unter Freunden» verurteilen. Der nach den Enthüllungen eilends einberufene französische Verteidigungsrat um Präsident Hollande verurteilte die Spähaktionen der Amerikaner als «inakzeptabel».
«Die Empörung von Hollande und anderen Politikern ist etwas doppelzüngig, denn alle wissen, dass solche Abhörungen von allen Geheimdiensten praktiziert werden, wohl auch von den französischen Geheimdiensten selber», sagt Charles Liebherr, SRF-Korrespondent in Paris. Frankreich hat mehrere Geheimdienste im Innenministerium, im Aussenministerium, bei der Armee.
Beziehung Berlin-Paris leidet ebenfalls
«Wirklich überrascht zeigen sich zumindest die Sachverständigen von der neuesten Enthüllung deshalb nicht», so Liebherr. Denn: Wo die technischen Mittel zur Verfügung stehen, wird auch abgehört.
Etwas irritiert sei man allerdings darüber, dass der NSA bekanntlich eng mit dem Bundesnachrichtendienst zusammengearbeitet hat, also die Abhörungen möglicherweise durch Deutsche Geheimdienstleute gemacht wurden. «Das ist natürlich nicht gerade vertrauensbildend für die Achse Paris-Berlin», sagt Liebherr.
Auswirkungen der Spionage-Affäre
Enthüllungen der Spionagetätigkeiten der NSA haben bereits früher für Wirbel gesorgt. Im vergangenen Jahr war bekannt geworden, dass der NSA vermutlich über Jahre hinweg das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört haben soll.
Die deutsche Bundesanwaltschaft hat allerdings kürzlich die Ermittlungen zur mutmasslichen Spionage eingestellt. Damals gerieten die Verhandlungen zwischen der EU und den USA über ein transatlantisches Freihandelsabkommen ins Stocken.
«Die Affäre von heute dürfte diese Verhandlungen sicher weiter belasten», sagt Liebherr. Frankreich werde sich dort sicher weniger zurückhalten als bisher. «Es ist innenpolitisch unumstritten, dass Frankreich einen schlagkräftigen Geheimdienst haben soll, der auch gegen die amerikanischen Geheimdienste bestehen kann», sagt Liebherr.
Zugleich wollten die Politiker aber auch eine rechtsstaatliche Kontrolle der Geheimdienste. «Das ist natürlich auch ein Wink gegen die USA, wo nach dem französischen Verständnis in diesem Bereich nicht immer alles rechtsstaatlich erfolgte», so der SRF-Korrespondent.