Deutschland muss nicht allen Zuwanderern aus dem EU-Raum Sozialleistungen zahlen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat ein Grundsatzurteil gefällt, das Folgen für die Sozialsysteme der EU-Mitgliedstaaten im Kampf gegen den Sozialmissbrauch haben dürfte.
Es ging um eine alleinerziehende Rumänin, die mit ihrem Sohn nach Leipzig gezogen war und Sozialhilfeleistungen geltend machte. Das Arbeitsamt verweigerte dies, weil die Frau keine Arbeit aufnahm und auch in Rumänien nie gearbeitet hatte.
Kein Recht auf Aufenthalt ohne Mittel
Der Gerichtshof entschied nun, dass die Rumänin keinen Anspruch auf Sozialhilfe in Deutschland habe. Denn sie verfüge nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung und könne daher kein Recht auf Aufenthalt in Deutschland geltend machen. Deutschland hatte den Fall weitergezogen – aus Furcht vor einer Flut von neuen Hartz-IV-Anträgen von EU-Zuwanderern.
Der Gerichtshof weist darauf hin, dass kein Aufnahmestaat von EU-Zuwanderern nach EU-Recht verpflichtet sei, während der ersten drei Monate des Aufenthalts Sozialhilfe zu gewähren. Bei einer Aufenthaltsdauer von mehr als drei Monaten, aber weniger als fünf Jahren müssten nicht erwerbstätige Personen über ausreichende eigene Existenzmittel verfügen.
Inhaltlich habe das Urteil keine Auswirkungen auf die Schweiz, denn hierzulande gelten strengere Regeln als in viele europäische Länder, sagt SRF-Korrespondent Oliver Washington in Brüssel. Wichtig für die Schweiz sei aber, dass der Gerichtshof anerkenne, dass die einzelnen Staaten zentrale sozialpolitische Fragen selber entscheiden und gegen Missbräuche vorgehen könnten. «Das ist für die Schweiz enorm wichtig, vor allem im Kontext der aktuellen Einwanderungsdiskussion.»
Wie weit soll Hilfe an Arbeitsuchende gehen?
Washington geht davon aus, dass aufgrund des Grundsatzurteils verschiedene Staaten ihre Sozialsysteme analysieren und anpassen werden, um den Sozialmissbrauch einzudämmen. Weitergehen werde die Diskussion auch darüber, ob und wie lange ein Staat die Jobsuche von Ausländern unterstützen müsse.
Denkbar sei, dass auf der Basis des Urteils staatliche Unterstützung bei der Jobsuche auf beispielsweise sechs Monate begrenzt würde. Nach dieser Frist könnten Staaten dann Hilfe verweigern mit dem Argument, es fehle am Willen. «Ich kann mit gut vorstellen, dass genau das die politische Schlussfolgerung des heutigen Urteils ist», sagt Washington.