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International Kein Durchkommen für deutsche Agrarprodukte in Frankreich

Französische Bauern haben an der Grenze zu Deutschland und zu Spanien Strassen blockiert, um Lastwagen zu stoppen. Sie protestieren damit gegen Dumpingpreise. Frankreichs Bauern fürchten um ihre Existenz – und verlangen europaweit gleich lange Spiesse bei den Löhnen.

Mehr als tausend französische Bauern blockieren seit Sonntag mehrere Strassen und Brücken an der Grenze zu Deutschland. Die Aktion der regionalen Bauerngewerkschaften soll Lastwagen aus Deutschland stoppen, welche Agrarprodukte nach Frankreich transportieren.

Streik-Ende ungewiss

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Die Landwirte wollen nach einem Treffen mit den Behörden in Strassburg am Montagnachmittag entscheiden, ob sie die Protestaktion fortsetzen.

Auch auf einer Autobahn an der Grenze zu Spanien stoppten rund hundert Bauern mehrere Lastwagen und drohten, Fleisch oder Früchte für den französischen Markt auszuladen. Wegen der Sperren hat sich ein bis zu vier Kilometer langer Stau gebildet, wie ein Gewerkschaftsvertreter sagte.

Jeder zehnte Bauernhof vor dem Ruin

Die Blockaden sind Teil der seit Tagen andauernden Protestaktionen der Bauern gegen die fallenden Preise für Agrarprodukte. Im Zuge der Proteste blockierten die Bauern bereits Strassen, Städte und den Zugang zu Touristenattraktionen wie den Mont Saint Michel in der Bretagne. Die Regierung kündigte vergangene Woche daraufhin ein Krisenprogramm mit Steuererleichterungen und Lohngarantien im Umfang von 600 Millionen Euro an. Trotzdem setzten die Bauern ihre Proteste fort.

Nach Schätzungen der Regierung steht jeder zehnte französische Agrarbetrieb am Rande des Bankrotts. Gemeinsam sind sie mit einer Milliarde Euro verschuldet. Grund für die fallenden Preise von Produkten wie Milch, Rind- und Schweinefleisch sind sich ändernde Ernährungsweisen in Frankreich, der Rückgang der Nachfrage aus China und das russische Embargo für europäische Agrarprodukte.

Deutsche Bauern mit tieferen Lohnkosten

Die Gewerkschaften kritisieren, dass die Regierung keine Lösung für die Verzerrung des Wettbewerbs präsentiert habe. Beklagt werden insbesondere die Unterschiede bei den Arbeitskosten. Durch den Einsatz von Arbeitern aus Osteuropa lägen diese in Deutschland teilweise deutlich niedriger als in Frankreich.

Gemäss Angaben der französischen Bauern betragen die netto-Lohnkosten in Deutschland rund 5 Euro pro Stunde, während die Arbeitsstunde mit allen Sozialleistungen in Frankreich 12 Euro kosten. Entsprechend teurer müssen die französischen Agrarprodukte verkauft werden, wenn der Bauer keinen Verlust machen will.

Kritik an deutscher «Dumpingpolitik»

Doch: Ist der Unterschied tatsächlich derart gross? «Zumindest teilweise trifft das zu», sagt SRF-Mitarbeiter Rudolf Balmer in Paris. Die französischen Bauern hätten das Gefühl, Opfer einer deutschen Dumpingpolitik zu sein. Schwierig werde es nun für die französische Regierung: «Sie steckt in der Klemme», so Balmer. Paris habe den kleinen vorhandenen Spielraum mit den versprochenen 600 Millionen Euro bereits genutzt. Nun müsse sie den Ball wohl an die EU weiterspielen.

Doch die EU werde vor einem Dilemma stehen: Unterstützt sie das deutsche Modell mit einer Senkung der Lohnkosten, um auf dem Weltmarkt bestehen zu können, oder spricht sie sich für das französische Sozialmodell aus? Für den zweiten Weg müssten wohl die Sozial- und Umweltnormen europaweit vereinheitlicht werden. «Dazu wären wahrscheinlich weder Deutschland noch die nordeuropäischen Staaten bereit», so Balmer.

In den Augen der französischen Bauern geht es bei ihrem derzeitigen Kampf nicht nur um etwas höhere Preise, sondern um ihre Existenz. Deshalb ist keineswegs sicher, dass die Protestaktionen zu einem schnellen Ende kommen. Balmer: «In Frankreich weiss man, wie man einen Konflikt anfängt – wie man ihn beendet weiss zur Zeit niemand.»

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