Die Vorwürfe wiegen schwer: Kenias heutiger Präsident Uhuru Kenyatta und sein Vize William Ruto sollen nach den Wahlen 2007 zu Gewalt angestiftet haben. Bei heftigen Auseinandersetzungen sind in den darauf folgenden Wochen rund 1200 Menschen ums Leben gekommen.
Populismus gewinnt
Am 10. September muss sich Vizepräsident Ruto vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag den Vorwürfen stellen, zwei Monate später soll Kenyatta vor die Richter treten. Das stand bereits vor deren Wahl diesen Frühling fest. Doch plötzlich regt sich Widerstand im kenianischen Parlament. Von afrikanischem Stolz ist die Rede und von postkolonialer Machterhaltung.
«Das kenianische Parlament hat im Frühling zugestimmt, den ganzen Fall nach Den Haag zu überweisen. Man hat gehofft, dass das Ganze dort versande», sagt Patrik Wülser, SRF-Afrikakorrespondent. «Aber der IStGH wurde doch aktiv und jetzt heisst es plötzlich, es sei unwürdig, wenn sich gewählte Politiker in Europa verantworten müssten.»
Dabei hat es Kenia seit 2007 selbst nicht geschafft, das Massaker rechtskräftig aufzuarbeiten. Man brauche daher die Hilfe vom «grossen Bruder IStGH», sagte ein Parlamentarier. Am Ende folgten dessen Kollegen dieser Argumentation aber nicht.
Hoher symbolischer Akt
Das Parlament in Nairobi zog die Notbremse und beschloss: Kenia soll aus dem IStGH austreten. Ein entsprechendes Gesetz soll voraussichtlich in den nächsten 30 Tagen verabschiedet werden.
Die Notbremse hat jedoch nur symbolischen Charakter. Denn ein Austritt Kenias aus dem Strafgerichtshof hat keinen Einfluss auf die beiden Verfahren. Das betonte auch Strafgerichtshofs-Sprecher Fadi El Abdallah gegenüber dem britischen Sender BBC.
Zu der Symbolik kommt: Kenias Austritt wäre der erste aus dem IStGH und dürfte die Ressentiments der Afrikaner gegen die Institution weiter erhöhen.
Die Ressentiments gegen den Gerichtshof hätten auch damit zu tun, dass die meisten Angeklagten vor dem ICC Afrikaner sind, sagt Wülser. «Das ist ein ein Missverhältnis zum Rest der Welt. Gleichzeitig muss man sagen, dass eben nirgends auf der Welt so viele Autokraten, Despoten und Diktatoren ihre Bürger so blutig und unmenschlich behandeln wie auf diesem Kontinent.»
Problem der Eliten
Allerdings werde oft vergessen, dass auch die Chefanklägerin des Gerichtshofs eine Afrikanerin ist: Fatou Bensouda aus Gambia. Und, so der SRF-Afrikakorrespondent: «Es sind vor allem die Eliten, diejenigen, die etwas zu befürchten haben, die den Strafgerichtshof ablehnen.» Laut Umfragen werde der IStGH von 60 Prozent der Bevölkerung in Afrika nämlich unterstützt.