Boxweltmeister Vitali Klitschko ist das Gesicht der Opposition. Er steht für die Öffnung nach Westen, nach Europa. Anfang Dezember hat Präsident Viktor Janukowitsch das Angebot der EU ausgeschlagen, die Ukraine an Europa anzunähern. Seither gehen Tausende in Kiew und anderen Städten auf die Strasse. An vorderster Front: Boxweltmeister Vitali Klitschko.
«Er tritt kämpferisch auf»
Vitali Klitschko ist zum Anführer einer proeuropäischen Revolte in seinem Heimatland geworden. «Er ist vor allem wegen seiner Erfolge als Boxer allseits geachteter Star», sagt SRF-Korrespondent Peter Gysling.
Für ihn sei es ein besonderer Vorteil, dass er nicht nur in Europa sondern auch in der Ukraine beliebt sei. «Klitschko tritt kämpferisch auf. Oft auch mit geballter Faust auf der Bühne. Aber er tritt auch sehr besonnen auf», sagt Gysling. Klitschko sei kein «Scharfmacher». Deswegen werde er auch von Vielen respektiert und geniesse eine hohe Glaubwürdigkeit.
Quereinsteiger in der Politik
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Bild 1 von 8. Ronald Reagan – der wohl erfolgreichste und bekannteste Quereinsteiger in der Politik. Der 40. Präsident der USA war vor seiner Polit-Karriere Schauspieler. In den 1930er Jahren war er zudem Sportkommentator. Zu seinen bekanntesten Filmen gehören unter anderen «Santa Fé Trail» (Land der Gottlosen) oder «Desperate Journey» (Sabotageauftrag Berlin). Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 8. Arnold Schwarzenegger durfte auch Dank Hollywood eine Polit-Karriere starten. Seine Popularität aus Filmen wie die «Terminator»-Reihe nutzte der Ex-Mister Universum bei seiner Kandidatur zum Gouverneur von Kalifornien 2003. Bis 2011 hielt er dieses Amt inne. Eine Kandidatur als US-Präsident bleibt ihm als nicht gebürtiger US-Bürger verwehrt. Bildquelle: Reuters.
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Bild 3 von 8. Bekannt aus dem Fernsehen (v.l.): Ex-Tagesschau-Moderator Matthias Aebischer ist seit 2011 Nationalrat. Ex-Sport-Moderator Maximilian Reimann ist seit 1987 unter der Bundeshauskuppel tätig. Zunächst als Nationalrat, danach Ständerat und aktuell wieder als Nationalrat. Ex-Bundeshausredaktor Norbert Hochreutener war von 1995 bis 2011 Nationalrat. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 8. Auch eine Sportkarriere kann zu einer Polit-Laufbahn führen. Simon Schenk war vor seiner Tätigkeit im Nationalrat zwischen 1994 und 2011 Trainer der Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft. Heute ist er Sportchef der GCK Lions. Die ehemalige Skirennfahrerin Corinne Schmidhauser ist zurzeit FDP-Grossrätin im Kanton Bern. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 8. Geld ist für eine Quereinsteiger-Karriere hilfreich. In Tschechien ist die Partei ANO des Milliardärs Andrej Babiš eine der Wahlsiegerinnen der vorgezogenen Wahlen. Babiš wird sehr wahrscheinlich Minister der neuen Regierung mit den tschechischen Sozialdemokraten an der Spitze. Der Unternehmer wurde vor allem im Agrochemiebereich erfolgreich. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 8. Skandale verhelfen auch zu einer Quereinsteiger-Karriere. Ilona Staller ist besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Cicciolina und war vor ihrer Polit-Laufbahn Pornodarstellerin. Sie sass zwischen 1987 und 1992 für die «Partito Radicale» im Parlament in Rom. Bildquelle: Reuters.
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Bild 7 von 8. In Deutschland gehört es zum guten Ton Personen, die nicht aus dem politischen Establishment sind, für die Wahl des deutschen Bundespräsidenten vorzuschlagen. So haben zum Beispiel die Autorin und Theologin Uta Ranke-Heinemann (links) für die PDS und Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan für die SPD für das hohe Amt in Berlin kandidiert. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 8. Der bekannte Musiker Gilberto Gil war zwischen 2003 und 2008 brasilianischer Kulturminister in der Regierung von Lula da Silva. Erfolg hatte er aber wenig. Seine Amtsführung geriet zunehmend unter Druck. Ihm wurde Korruption wegen Bevorzugung von Geschäftsfreunden vorgeworfen. Bildquelle: Keystone.
Nicht kleinzukriegen
Die Glaubwürdigkeit hat sich der promovierte Sportwissenschaftler hart erarbeitet. Klitschko war vom Erfolg verwöhnt, zumindest im Boxring. In der Politik hat er allerdings – anders als im Sport – schon manche Niederlage einstecken müssen.
Mit seinen ersten politischen Auftritten während der Massendemonstrationen der orangenen Revolution hatte er Ende 2004 zwar an einem Triumph mitgewirkt. Doch als er sich im März 2006 erstmals selbst der Wahl für das Bürgermeisteramt in Kiew stellte, scheiterte der Boxprofi. Doch Klitschko liess sich nicht kleinkriegen: Er gründete 2010 seine eigene Partei, die Demokratische Allianz Udar (Schlag).
Für Peter Gysling ist klar: «Klitschko ist ein Politiker. Weil er mit der Partei Udar auch im Parlament vertreten ist. Zudem ist er deren Parteipräsident.» Klitschko sei zwar ein Boxer. Aber er gebe auch einigermassen intelligente und integre Personen unter Profisportlern. In die erste Reihe der ukrainischen Politik ist Vitali Klitschko allerdings erst durch die Parlamentswahl im Herbst 2012 aufgerückt. Seine Partei Udar ging daraus als drittstärkste Kraft hervor.
Reich durch den sportlichen Erfolg
Doch wird Klitschko überhaupt ernstgenommen? «Er wird enstgenommen, weil er einer der Oppositionsführer ist», sagt Gysling. Auf die Frage, ob sich die Bevölkerung auf den Strassen vom Boxweltmeister vertreten fühle, meint Gysling: «Klitschko ist sicherlich die Person, welche die breite Protestbewegung vielleicht am prominentesten vertritt.» Er spiele diese Rolle auch sehr gut.
«Die Tatsache, dass nun die Linsen der Foto- und Filmkameras derzeit vor allem auf ihn gerichtet sind, das hat auch mit seiner Popularität als Boxweltmeister und seiner überragenden Körpergrösse zu tun», sagt Gysling.
Nicht nur seine Bekanntheit macht Klitschko für die amtierende Regierung so gefährlich. Klitschko ist reich geworden durch seinen Erfolg, aber er ist kein Oligarch. So lässt er die Spenden an seine Partei deklarieren. Von künftigen Partei-Parteimitgliedern lässt er die eigene Vergangenheit offenlegen, wie «die Zeit» kürzlich zu berichten wusste.
Das Ziel: die Präsidentenwahl 2015
Vitali Klitschko verkörpert das Gegenteil des korrupten Präsidenten Viktor Janukowitsch. Das Regime Janukowitsch dankte es ihm auf seine Art: Ende Oktober setzte es eine Änderung des Steuergesetzes durch. Das neue Gesetz könnte ihm die Kandidatur an der Präsidentenwahl 2015 verwehren.
Gemäss dem Gesetz gilt nicht als Bewohner der Ukraine, wer in einem anderen Staat eine Aufenthaltserlaubnis hat und dort Steuern zahlt. Diese bezahlt der ukrainische Staatsbürger Vitali Klitschko seit geraumer Zeit in Deutschland. Seine Reaktion kam prompt: Klitschko verkündete dem Gesetz zum Trotz, er werde offiziell bei der kommenden Präsidentenwahl antreten.