Kolumbien rüstet sich nach 51 Jahren erbittertem Krieg zwischen den Rebellen und der Regierung für den Frieden. Nirgendwo sonst hat der blutige Kampf um die Macht länger gedauert und kaum irgendwo war er gewalttätiger. Nun wollen Präsident Juan Manuel Santos und die linksgerichtete Farc-Guerilla den Friedensvertrag bald unterzeichnen.
Zehntausende Verschleppte
In der Bevölkerung herrscht jedoch nicht nur Freude, sondern auch Angst: «Es gibt Zweifel, es gibt Ängste darüber, was dann kommt. Und die Ängste haben unter anderem damit zu tun, dass man die Vergangenheit aufarbeiten muss», sagt Christoph Harnisch, IKRK-Chef von Kolumbien in Bogotá.
Seit vier Jahren unterstützt Harnisch die Friedensgespräche in der kubanischen Hauptstadt Havanna. Das IKRK setzt sich unter anderem für die Vermissten und Verletzen des Krieges ein. Dieser forderte in den vergangenen fünf Jahrzehnten mehr als 250'000 Tote. 80'000 Kolumbianer gelten als vermisst, mutmasslich verschleppt von der Farc. Sieben Millionen Kolumbianer sind innerhalb des Landes auf der Flucht.
«Die Gewalt, die damit verbunden war, hat ein Land geschaffen, in dem die Bevölkerung traumatisiert ist. Das heisst, wir haben uns in einer Realität installiert, die eine Realität der Gefahr und der Gewalt war, eine Realität der Brutalität», beschreibt Harnisch die Situation der letzten Jahrzehnte. Jetzt aber werde es potenziell etwas anderes geben. Und das mache den Kolumbianern Angst.
Farc soll eine Partei werden
Eine der zentralen Ideen des Friedensvertrags ist die Umwandlung der Farc von einer illegalen Terrororganisation in eine politische Partei. Die Rebellen sollen in die Gesellschaft integriert werden. Doch Verzeihen fällt schwer.
Für IKRK Chef Harnisch ist das denn auch eine grosse Hürde im Friedensprozess. «Es ist so, wie wenn man während 50 Jahren einen Feind gehabt hat, mit dem man eigentlich ziemlich gut gelebt hat. Doch jetzt ist der Feind nicht mehr Feind, sondern Nachbar oder Vertreter einer politischen Partei.» Die neue Situation müsse positiv verwertet werden, doch das werde ziemlich schwierig.
Tatsächlich ist die Stimmung in Kolumbien in Bezug auf die Friedensverhandlungen mehrheitlich kritisch bis ängstlich. Jahrzehntelang spielte sich der Krieg auf dem Land ab. Die Farc-Rebellen haben dort ihre Hochburgen und die ländliche Bevölkerung glaubt nicht daran, dass eine Unterschrift in Havanna tatsächlich Frieden bringt. Und auch die Bevölkerung in der Hauptstadt Bogotá ist dem Abkommen gegenüber kritisch eingestellt.
Garantien für die Rebellen
Bei den Friedensverhandlungen in Havanna ist vor allem noch ein Punkt ungeklärt, der für die Farc von zentraler Bedeutung ist: die Niederlegung der Waffen. Für einen Guerillero sei die Waffe seine Lebensversicherung, sagt Harnisch. «Morgen, wenn er keine Waffe mehr hat, braucht er andere Garantien – und dann kommt es ganz darauf an, was für Garantien das sein werden und wer ihm diese gibt.» Nur wenn ein Guerillero von den Garantien überzeugt sei, werde er bereit sein, seine Waffe abzugeben.
Ist auch dieser Punkt geklärt, dürfte einer Unterschrift unter das kolumbianische Friedensabkommen noch im März, nichts mehr im Wege stehen. Danach soll das Volk in einer Abstimmung seinen Segen zum Abkommen geben. Gelingt auch das, ist einer der ältesten bewaffneten Konflikte der Erde beendet.