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Kolumbianische Flüchtlinge in einem Camp in der Nähe Bogotás.
Legende: Kollateralschaden eines Bürgerkriegs: Flüchtlinge in einem Camp in der Nähe Bogotás. Reuters

International Kolumbien vernachlässigt seine Vertriebenen

Die Friedensverhandlungen zwischen dem kolumbianischen Staat und der Farc-Guerilla versprühen nur kleine Hoffnungsfunken. Für die fünf Millionen vom Konflikt Vertriebenen besteht kaum ein Grund zum Hoffen. Selbst die eigene Regierung kümmert sich nicht ausreichend um sie.

Fünf Millionen Vertriebene in fast fünf Jahrzehnten. Das sind nur zwei Eckdaten des Konflikts zwischen den «Revolutionären Streitkräften Kolumbiens» Farc und dem Staat. Die Guerillabewegung kämpft für eine Revolution der armen, ländlichen Bevölkerung. Sich selbst sehen die Farc als marxistische Volkskampfgruppe und irreguläre Armee Kolumbiens. Der kolumbianische Staat sowie unter anderen die USA und die EU stufen sie als terroristische Organisation ein.

Der Bürgerkrieg soll endlich ein Ende finden. Nun sollen im kubanischen Havanna in einer neuen Gesprächsrunde über Frieden verhandelt werden. Die Unterredungen begannen im Oktober vergangenen Jahres.

Bei dem ersten Thema der abgesprochenen Tagesordnung soll die Landverteilung an Vertriebene und Rebellen geregelt werden. Der kolumbianische Staatschef Juan Manuel Santos erklärte, er erwarte einen baldigen Abschluss der Verhandlungen über die sogenannte Agrarfrage.

Ausgang höchst unklar

Ulrich Achermann, Radio SRF-Korrespondent in Lateinamerika, ist skeptisch: Es sei derzeit kein Zeitpunkt für ein Friedensabkommen absehbar. «Es ist noch nicht mal klar, ob es überhaupt jemals Frieden geben wird.»

Bei den Verhandlungen dringen die Forderungen der Parteien kaum nach aussen. Es scheint festzustehen: Die Guerilleros verlangen die Straffreiheit ihrer Führung. Laut Achermann wird gerade dieser Punkt auf heftige Gegenwehr der politischen Rechten in Kolumbien stossen.

Fehlender Druck

Die Verhandlungen werden langwierig und verworren. Zu lange dauert der Konflikt schon. Seit 1964 hat er tiefe Wunden hinterlassen. «Die kolumbianische Gesellschaft hätte gerne einen Frieden», sagt Achermann. Doch von einem Druck der Öffentlichkeit könne nicht die Rede sein. Dafür fordern zu wenige Kolumbianer aktiv und unnachgiebig den Frieden.

Der Grund ist gemäss dem SRF-Korrespondenten, dass nur ein kleiner Teil der Kolumbianer direkt vom Konflikt betroffen ist. Die meisten Menschen leben in den Grossstädten. Der Konflikt in den Bergen und Urwäldern an der Grenze scheine zu weit entfernt, um viele Kolumbianer direkt zu betreffen.

Verfehlungen des Staates

Für die Zeit der Verhandlungen wurde keine Waffenruhe vereinbart. Daher nimmt auch die Zahl der Flüchtlinge weiter zu. Achermann sagt: «Der Staat ist nicht in der Lage, ein minimales Mass an Sicherheit zu gewähren.»

Dieses Machtvakuum nutzen Grossgrundbesitzer. In ihrem Auftrag ziehen Todesschwadronen los, um Kleinbauern von deren Land zu vertreiben. Die Auftraggeber der Gruppierungen bauen auf dem Land ihre Plantagen an.

Die Menschen entfliehen dem Konflikt an die Ränder der Grossstädte. «Dort leben sie vom Betteln oder von der Kriminalität», sagt Achermann. Die Regierung integriere die Menschen aber nicht in die Gesellschaft.

Nun hat die Regierung in Bogotá ein Gesetz erlassen, mit dem sie den Vertriebenen ein Stück Land zurück gibt. Insgesamt seien es bisher 200'000 Hektar. Doch die Hilfe schafft ein neues Problem. Achermann sagt: «Sobald die Menschen zurück auf ihrer Scholle sind, werden sie wieder bedroht und der Gewalt ausgesetzt.» Und dann geht alles wieder von vorne los.

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