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Plattenbau mit einem Wahlplakat der AfD davor.
Legende: Auf Bundestagsebene habe die AfD weniger gute Karten als damals die Grünen, sagt Politologe Niedermayer. Keystone

International Kommt das Moscheen-Verbot ins AfD-Parteiprogramm?

Die rauschende Wahlparty ist vorbei, nun kommt die Arbeit: Die rechtspopulistische AfD verpasst sich ein Parteiprogramm. Schon Ende Monat soll es verabschiedet werden. Ein Parteienforscher hat sich den Entwurf angesehen.

SRF News: Kann die AfD mit dem Moscheen-Verbot, das sie in ihr Parteiprogramm aufnehmen will, ihre frustrierten Protestwähler bei der Stange halten?

Oskar Niedermayer

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Porträt Oskar Niedermayer
Legende: Imago

Der deutsche Politikwissenschaftler leitet seit 1993 das Otto-Stammer-Zentrum der Freien Universität Berlin. Am dortigen Otto-Suhr-Institut ist er ausserdem als Hochschullehrer tätig. Schwerpunkte seiner Forschung sind politische Einstellungen und Verhaltensweisen, Parteien- und Wahlforschung.

Oskar Niedermayer: Ja, denn sie hat in ihrem Programmentwurf genau das konkretisiert und ausgeweitet, wofür sie gewählt wurde: eine sehr restriktive Asylpolitik und eine restriktive Einwanderungspolitik insgesamt, die Gegnerschaft zum Islam und ähnliche Dinge. Was ihr ein bisschen gefährlich werden kann, ist ihre wirtschafts- und sozialpolitische Position. Denn das Programm ist eindeutig ein marktliberales Programm – mit Steuersenkungen und der Abschaffung von wesentlichen Steuerarten.

Andererseits ist die AfD aber – gerade bei den letzten drei Landtagswahlen – stark von Arbeitern und Arbeitslosen gewählt worden. Also muss sie, und das versucht sie jetzt auch, diese Wählerschichten einbinden, indem sie ein neues Konzept von sozialer Gerechtigkeit einbringt. Es gibt das traditionelle Konzept, wie es die linken Parteien vertreten. Das geht von einem Gegensatz zwischen «unten» und «oben» aus, also von den sozial Benachteiligten und jenen, denen es besser geht.

Die AfD bringt nun «drinnen» versus «draussen» als soziales Gerechtigkeitskonzept ein, das heisst, die deutschen Benachteiligten versus die Ausländer, die jetzt von aussen hereinkommen: Asylbewerber, Flüchtlinge und so weiter, die zu deutschen Benachteiligten in Konkurrenz treten. Die deutschen Benachteiligten will die AfD vor dieser Konkurrenz schützen. Zum Beispiel in Sachen Lohndumping oder auf dem Wohnungsmarkt. Und das könnte, wenn das Konzept deutlich gemacht wird, auch etwas sein, das zum Beispiel durchaus einem Teil der Kernklientel der SPD zusagt.

Was unterscheidet die AfD von den Grünen anno 1979-1980? Das war ja die letzte Partei, die auf Bundesebene bestehen konnte nach ihrer Neugründung.

Die Grünen konnten sich damals auf eine sich neu entwickelnde, gesellschaftliche Konfliktlinie beziehen. Ein neuer Grundkonflikt entstand, den man Ökologie versus Ökonomie nennen kann. Es war auch die Zeit der Frauenbewegung, von Anti-Atomkraft, Nato-Doppelbeschluss und weiteren Dingen, die dabei eine Rolle gespielt haben. Ende der 1970er-Jahre war es eben so, dass die Grünen, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa, Ausdruck einer neuen gesellschaftlichen Konfliktlinie waren, die die traditionellen Parteien verschlafen hatten.

Das sehe ich bei der AfD nicht. Denn die EU-/Euro-Frage ist in Deutschland zumindest keine zentrale Konfliktlinie im Parteiensystem. Auch bei den Wählern nicht. Und die Flüchtlingsfrage ist auch noch keine solche. Da müsste noch ein bisschen was dazukommen. Das heisst, die gesellschaftliche Basis ist bei den Grünen für eine langfristige Etablierung besser gewesen als bei der AfD.

Was ist denn Ihre Prognose für die Bundestagswahl in zwei Jahren?

Ich denke, dass die AfD grosse Chancen hat, in den Bundestag zu kommen. Nicht zweistellig, sondern mit einem Ergebnis über fünf, aber deutlich unter zehn Prozent.

Das Gespräch führte Peter Voegeli.

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