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International «Kreml nimmt den Kollateralschaden in Kauf»

Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA bestätigt das staatlich verordnete Doping in Russland. Der Ruf ist ruiniert und der Kreml in Erklärungsnot. Ein Ausschluss von den Spielen in Rio wäre für Moskau deshalb nur ein weiterer Beleg für die anti-russische Verschwörung, sagt Korrespondent David Nauer.

Der Bericht der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA zeichnet ein drastisches Bild davon, wie systematisch Russland seine Athletinnen und Athleten in Sotschi beim Doping unterstützt hat. In Moskau will man jedoch trotz erdrückender Beweise nichts davon wissen.

SRF News: Wie argumentieren die russischen Behörden?

Alles nur eine anti-russische Verschwörung? Die WADA-Resultate zu Sotschi 2014 zeigen ein anderes Bild.
Legende: Alles nur eine anti-russische Verschwörung? Die WADA-Resultate zu Sotschi 2014 zeigen ein anderes Bild. Keystone/Archiv

David Nauer: Bisher gibt es erst vereinzelte Reaktionen von Politikern und einigen Sportfunktionären. Die Verteidigungslinie scheint mit die gleiche zu sein wie schon bei anderen Doping-Skandalen: Die Vorwürfe werden zurückgewiesen und als anti-russische Verschwörung dargestellt.

Ein Sportpolitiker aus der Duma etwa sagte, er habe heute nichts Neues gehört und schon gar keine Beweise. Er hoffe, dass das Internationale Olympische Komitee (IOK) dem Druck einiger westlicher Länder nicht nachgeben werde. Ein anderer Parlamentarier nannte die WADA gar undemokratisch und intransparent. Die Organisation sei ein Organ politischer Repression geworden.

Riskiert Russland mit dieser Verteidigungslinie aber nicht, dass saubere Athleten mit in den Dopingsumpf gezogen werden – schliesslich stehen jetzt alle unter Generalverdacht?

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Das ist ein Kollateralschaden, den die russische Führung in Kauf nimmt. Denn auf dem Spiel steht sehr viel mehr. Es geht um die Glaubwürdigkeit des russischen Staates. Der Kreml müsste ja quasi zugeben, dass er die Weltöffentlichkeit systematisch hintergangen hat oder zumindest das russische Sportministerium dies getan hat. Deswegen macht die russische Führung nun eine einfache Rechnung und sagt sich: Das Image im Ausland ist ohnehin ruiniert. Jetzt will man zumindest vor der eigenen Bevölkerung das Gesicht nicht verlieren. Die einfache Devise lautet damit: weiter abstreiten.

Nun muss das IOK entscheiden, ob es Russland von den Spielen in Rio ausschliesst. Was hiesse dies für Russland, wenn es so weit kommt?

David Nauer

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David Nauer ist Korrespondent von Radio SRF in Russland. Von 2006 bis 2009 hatte Nauer für den «Tages-Anzeiger» aus Moskau berichtet, anschliessend aus Berlin.

Das wäre zum einen eine Katastrophe für die betroffenen Sportler. Zum anderen wäre es ein harter Schlag für das russische Image in der Welt. Sportanlässe sind dem Kreml sehr wichtig. Milliarden wurden für die Winterspiele in Sotschi ausgegeben. In zwei Jahren soll die Fussballweltmeisterschaft in Russland stattfinden.

In Russland selber würde ein Ausschluss aller Russen von den Olympischen Spielen relativ wenig auslösen. In den Staatsmedien wird Russland seit geraumer Zeit als Opfer einer westlichen Aggression dargestellt – als belagerte Festung sozusagen. Wenn die Russen nun nicht nach Rio dürfen, wäre das ein weiterer vermeintlicher Beweis für diese These.

Eine zentrale Rolle bei den Ermittlungen der WADA spielte offenbar der inzwischen in die USA geflüchtete ehemalige Leiter des Moskauer Anti-Doping-Labors. Gegen ihn ermitteln die russischen Behörden. Was werfen sie ihm vor?

Gegen Grigorij Rodtschenkow ist tatsächlich ein Strafverfahren in Russland eröffnet worden. Er soll nicht nur Doping-Mittel aus den USA nach Russland geschmuggelt, sondern auch ein ganzes Vertuschungssystem aufgebaut haben. Ganz abwegig sind diese Vorwürfe übrigens nicht, gibt Rodtschenkow doch zu, dass er bei den Tricksereien in Sotschi ganz massgeblich beteiligt war. Er ist also nicht gerade eine Lichtgestalt im Kampf gegen Doping. Der entscheidende Unterschied ist aber, dass ihn die russischen Behörden für den Alleinverantwortlich halten. Doch dieser sagt, er habe zusammen mit dem russischen Geheimdienst FSB und dem Sportministerium gehandelt. Seine Version ist nun heute im WADA-Bericht bestätigt worden.

Das Gespräch führte Roman Fillinger.

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