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Zwei Männer mit Transparent. Darauf die US- und die kubanische Flagge und die Aufschrift «Cuba».
Legende: Fussballfans bei einem Freundschaftsspiel zwischen New York Cosmos und der kubanischen Nationalmannschaft im Juni 2015. Keystone

International «Kubaner haben US-Amerikaner nie als Feinde gesehen»

Das diplomatische «Tauwetter» zwischen den USA und Kuba nährt bei der Bevölkerung des Karibikstaates die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Schweizer Kenner des Landes berichten, wie die Kubaner der historischen Annäherung nach mehr als einem halben Jahrhundert feindseliger Konfrontation begegnen.

«Der so genannte Wandel auf Kuba wird im Westen oft falsch verstanden», sagt Christoph Kellenberger von der Schweizerisch-Kubanischen Handels- und Industriekammer. «De facto ist es die US-Politik, die sich gerade ändert.» Im Bewusstsein der Kubaner habe ein Prozess der Erneuerung auf kubanischer Seite bereits vor gut sieben Jahren mit dem Übergang der Macht von Fidel Castro an seinen Bruder Raúl und den in der Folge eingeleiteten Reformen eingesetzt.

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Auf diplomatischer Ebene ist die Ankündigung, die Botschaften im jeweils anderen Land wieder zu eröffnen, nach über einem halben Jahrhundert der Konfrontation zwar tatsächlich als historisch zu bezeichnen.

In der kubanischen Bevölkerung vermöge dies jedoch noch keine grosse Euphorie auszulösen, sagt auch Mark Kuster, der auf Kuba seit 2001 eine Kinderhilfsorganisation führt. Das Gefühl, dass «es in der Geschichte jetzt einen Schritt vorwärts geht», sei jedoch schon spürbar.

Hoffnungen ruhen insbesondere auf dem Tourismus

«Die Menschen wissen, dass beispielsweise im Tourismus-Bereich neben den grossen Playern auch viele Private profitieren werden», meint Kuster. Kleine Restaurants beispielsweise, die so genannten Paladares, oder Taxifahrer. Die Kubaner begriffen die jüngsten Ankündigungen daher wenn auch nicht als kubanischen Wandel, so doch als weiteren Meilenstein auf dem Weg in eine bessere Zukunft, ergänzt Unternehmer Christoph Kellenberger.

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Mark Kuster ist Gründer und Geschäftsführer der Kinderhilfsorganisation Camaquito. Er lebt auf Kuba.

Christoph Kellenberger ist Vorstandsmitglied der Schweizerisch-Kubanischen Handels- und Industriekammer. Er ist seit 7 Jahren geschäftlich in Kuba aktiv, derzeit in der Immobilien- und Projektentwicklung.

Weniger im Bewusstsein der Kubaner präsent sei der Umstand, dass nicht alle in gleichem Masse von wirtschaftlicher Entwicklung profitieren werden, sagen Kellenberger und Kuster. «Die weitere Öffnung wird auch neue soziale Spannungen mit sich bringen», meint Kuster. «Nicht alle werden profitieren, es werden Ansprüche entstehen, die sich nicht erfüllen lassen.»

«Kubaner haben nichts gegen die Amerikaner»

Keine Euphorie also bei den Kubanern angesichts der aktuellen diplomatischen Annäherung. Aber durchaus Hoffnungen auf eine bessere Zukunft mit mehr Wohlstand. Vorbehalte gebe es gegenüber dem laufenden Prozess der Weiterentwicklung des kubanischen Wirtschaftssystems kaum, sagt Unternehmer Kellenberger. Auch nicht gegenüber der Annäherung der USA.

Die jahrzehntelange Konfrontation habe sich in der kubanischen Öffentlichkeit stets auf die US-Politik bezogen, sagt Mark Kuster. «Gegen das amerikanische Volk gab es nie so etwas wie eine Hasskampagne.» Der «Feind» sei im Bewusstsein der Bevölkerung schon immer allenfalls Washington gewesen, aber nie die US-Amerikaner. Dazu trügen auch die kulturellen und zum Teil familiären Verbindungen insbesondere in den Süden Floridas bei, ergänzt Kellenberger: «In Havanna sieht man gar dann und wann ein Sternenbanner von einem Balkon hängen.»

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Prekäre Menschenrechtslage

Kuba ist nach wie vor ein autoritärer Einparteienstaat, Oppositionsparteien werden unterdrückt. Regierungskritiker würden bedroht, misshandelt und inhaftiert, schreibt Amnesty International in ihrem Länderbericht zu Kuba. Human Rights Watch berichtet von überfüllten Gefängnissen, in denen unterernährte Gefangene während 12 Stunden am Tag Zwangsarbeit verrichten müssten. Auch die Meinungsfreiheit ist stark eingeschränkt. «Die Regierung kontrolliert alle Medien und unterbindet den Zugang zu externen Informationsquellen. Nur eine sehr kleine Schicht hat einen begrenzten Zugang zum Internet», schreibt Human Rights Watch im jüngsten Menschenrechtsbericht.

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