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International Kurden könnten Erdogans Pläne zunichte machen

Die Türkei wählt ein neues Parlament. Die islamisch-konservative AKP könnte dabei ihre absolute Mehrheit verlieren, womit Erdogans Traum von einer Verfassungsänderung in weite Ferne rücken würde. Erste Wahlergebnisse werden am Sonntagabend erwartet.

Erstmals seit dem Amtsantritt von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sind die Türken am heutigen Sonntag zur Wahl eines neuen Parlaments aufgerufen. Laut Umfragen drohen der seit mehr als zwölf Jahren regierenden islamisch-konservativen AKP Stimmenverluste. Die Partei bliebe aber die dominierende Kraft.

Erdogan und Davutoglu auf Plakaten an einer Hausfront.
Legende: Präsident Erdogan (links) hofft auf einen Wahlsieg von Parteifreund und Premier Ahmet Davutoglu. Reuters

Die regierende AKP hofft insgeheim auf eine Zweidrittel-Mehrheit, könnte aber enttäuscht werden. Umfragen zufolge wird die von Präsident Recep Tayyip Erdogan gegründete Partei möglicherweise sogar ihre einfache Mehrheit verlieren und künftig auf einen Koalitionspartner angewiesen sein.

Nötige Mehrheit für Verfassungsreform?

Zentrale Frage ist, ob die pro-kurdische HDP die Zehn-Prozent-Hürde überwindet. Tut sie das, könnte sie der AKP einen Strich durch die Rechnung machen. Denn die Partei hat vor, die Verfassung zu ändern und ein Präsidialsystem zu installieren. An dessen Spitze würde Erdogan stehen, der damit noch mächtiger würde.

Doch damit die Verfassungsänderung möglich ist, muss die AKP zwei Drittel der 550 Parlamentssitze erobern. Schneidet die pro-kurdische HDP gut ab, dürfte Erdogans Partei die erforderliche Mehrheit dafür fehlen.

Der Co-Chef der HDP, Selahattin Demirtas, kritisierte bei der Abgabe seiner Stimme in Istanbul, der Wahlkampf sei «ungerecht» verlaufen. Erdogan hatte bei Massenveranstaltungen während des Wahlkampfs immer wieder die HDP angegriffen, obwohl die Verfassung dem Präsidenten Neutralität vorschreibt. Beschwerden darüber bei der obersten Wahlbehörde blieben folgenlos.

Tote bei Attentaten

Das Ende des Wahlkampfs wurde von schwerer Gewalt überschattet. Bei einem Sprengstoffanschlag auf eine HDP-Veranstaltung in der Kurden-Metropole Diyarbakir wurden am Freitagabend nach Angaben von Polizei und Ärzten mindestens drei Menschen getötet und 220 weitere verletzt.

Die Regierung bestätigte am Samstag, dass bei einer von zwei Explosionen Sprengsatz verwendet wurde, dem Kugeln beigefügt worden war. Auch bei der zweiten Detonation handle es sich mit «hoher Wahrscheinlichkeit» um einen Sprengstoffanschlag. Wer die Tat verübt hat, blieb zunächst unklar.

«Sabotage» und «Provokation»

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Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu bezeichnete den Anschlag als «Sabotage» und «Provokation». Demirtas von der HDP rief die Anhänger seiner Partei dazu auf, Ruhe zu bewahren. Im Wahlkampf war die pro-kurdische Partei immer wieder zum Ziel von Anschlägen und Übergriffen geworden.

Die Wahllokale sind von 07.00 Uhr bis 16.00 Uhr (MESZ) geöffnet. Erste Teilergebnisse werden ab 18.00 Uhr erwartet. Sollte die HDP dabei um die zehn Prozent liegen, könnte sich das Ergebnis bis Montag verzögern. Nach Angaben des Innenministeriums schützen am Sonntag mehr als 400 000 Sicherheitskräfte die Wahl. Zehntausende Wahlbeobachter sind im Einsatz.

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