Der Erfolg ist augenfällig: Gegen 100‘000 Personen gingen am Sonntag gegen die Familienpolitik von Präsident François Hollande auf die Strasse. Sie protestierten gegen die Legalisierung der Homo-Ehe, die seit einem knappen Jahr in Kraft ist, und gegen die künstliche Fortpflanzung von homosexuellen Personen.
Die Stimmung war locker und fröhlich. Die meisten Anhänger der sogenannten Bewegung «La Manif Pour Tous» sind keine Extremisten. Vielmehr sind es wertkonservative Menschen, deren Anliegen ernst zu nehmen sind.
Sie sind überzeugt: Es gibt eine göttliche Ordnung, die Menschen dürfen nicht alles machen, was die Wissenschaft ermöglicht. «Wir verteidigen die Familie und damit die Menschheit», erklärt eine Demonstrantin.
Zwar betont die sozialistische Regierung immer wieder, sie wolle die künstliche Fortpflanzung für Homosexuelle nicht einführen. Die Demonstranten würden gegen Gespenster kämpfen. Doch die Teilnehmer der Kundgebung glauben kein Wort: «Die Lügen der politischen Eliten treiben uns auf die Strasse», sagt ein Demonstrant.
Eine «französische Tea-Party»?
Die Anhänger der Bewegung «La Manif Pour Tous» sehnten sich nach einem permanent gültigen Wertesystem, sagt Jean Yves Camus. Er ist Soziologe und Experte für Rechtsextremismus. Es gebe unter ihnen eine tiefe Verunsicherung über den gesellschaftlichen Wertewandel.
Mit Anspielung auf die ultrakonservative Tea-Party-Bewegung in den USA sprechen viele bereits von der Geburt einer «französischen Tea-Party». Anders als die Tea-Party in den USA sei die Bewegung «La Manif Pour Tous» aber an keine Partei gebunden, erklärt Camus. Das sei ein wichtiger Unterschied.
«Es ist eine Lobby. Ich glaube nicht, dass sich die Bewegung in eine politische Partei verwandeln wird. Insofern kann man nicht ohne Relativierung von einer ‹französischen Tea-Party› sprechen», sagt er. Die Anhänger der Bewegung seien Menschen, die in der Politik mitreden wollten. Politisch seien sie aber heimatlos.
Bürgerliche Opposition UMP zögert
Für die bürgerliche Opposition UMP sind die politisch engagierten wertkonservativen Franzosen potentiell ein interessantes Wählersegment. Noch hat die UMP aber keine klare Strategie. Sie ist hin- und hergerissen: Einerseits ist da die Versuchung, auf dieser wertkonservativen Welle zu reiten. Andererseits hat die UMP aber auch Angst, in äusserst konservatives Fahrwasser zu geraten und so die eigene Basis abzuschrecken.