International - Lieber Ferienparadies als Demokratie auf den Malediven
Auf den Malediven ist die Stichwahl für die Wahl des Präsidenten verschoben worden – auf unbestimmte Zeit. Der Favorit ist der alten Elite ein Dorn im Auge. Sie versucht, dessen Sieg zu verhindern. Die Republik tut sich schwer mit der Demokratie. Und auch sonst bröckelt es hinter der Fassade.
Alles verlief, wie es in einer Demokratie verlaufen sollte. Am 7. September fanden in der Republik Malediven Wahlen statt. Vier Kandidaten traten an, die Stimmen wurden ausgezählt. Niemand schaffte es auf Anhieb.
Die Wahlen waren frei und fair, so das Fazit internationaler Beobachter. Die Stichwahl wurde auf Samstag, den 28. September festgelegt.
Doch dann: die Notbremse. Das Oberste Gericht verschiebt den zweiten Wahlgang auf unbestimmte Zeit. Grund ist die Einsprache des Drittplatzierten. Der reiche Resort-Besitzer Qasim Ibrahim bemängelte, im Wählerregister seien Tote und Fantasiepersonen registriert.
Das Vorgehen ist politisch motiviert. Davon ist SRF-Südasien-Korrespondentin Karin Wenger überzeugt. «Die alte Elite will um jeden Preis verhindern, dass Nasheed wieder an die Macht kommt.»
Mohamed Nasheed erhielt beim ersten Wahlgang 45 Prozent der Stimmen und verpasste nur knapp die Mehrheit. Der Umwelt- und Menschenrechtsaktivist war 2008 bei den ersten demokratischen Wahlen zum Präsidenten gewählt worden. Er wurde weltweit bekannt durch eine aufsehenerregende Aktion: 2009 hielt er unter Wasser eine Kabinettssitzung ab, um auf den steigenden Meeresspiegel aufmerksam zu machen.
Der 43-jährige Nasheed legte sich aber insbesondere mit der alten Elite an. Diese regierte den Staat zuvor während 30 Jahren. «Nasheed rüttelte an den alten Machtstrukturen. Nachdem er einen Richter verhaften liess, wurde er im Februar 2012 gestürzt. Das Gericht besteht noch heute aus handverlesenen Richtern aus der Ära des Diktators Gayoom», erklärt Wenger.
So kam die alte Elite wieder zurück an die Macht – durch den Vizepräsidenten Mohamed Waheed. «Er war damals der Kompromisskandidat der alten Garde. Sie hatte ihn vorgeschoben für den Coup. Ein ehemaliger hoher Angestellter im Sicherheitsapparat sagte mir, dass alles genau geplant gewesen sei», sagt die Korrespondentin, die für mehrere Reportagen in den islamischen Inselstaat gereist war.
Demokratie versus Diktatur
In der Stichwahl stünden sich zwei Kandidaten gegenüber, die in die entgegengesetzte Richtung gehen wollen: Mohamed Nasheed in Richtung Öffnung, Abdullah Yameen zurück zur alten Struktur. Yameen ist der Halbbruder des früheren Diktators Gayoom. Er erreichte beim ersten Wahlgang lediglich 25 Prozent. Die Rechnung der Elite ging nicht auf.
Doch vermutlich wird die Wahl am Samstag nun eben nicht durchgeführt – ausser, der Druck aus dem Ausland ist am Ende doch zu gross. Die EU forderte die Verantwortlichen auf, die Stichwahl ohne Verzögerung durchzuführen.
Paradies voller Widersprüche
Den rivalisierenden Politikern war bereits während des Wahlkampfes jedes Mittel Recht, um den beim Volk beliebten Nasheed zu diskreditieren. Selbst der Verlust ihrer eigenen Glaubwürdigkeit: «Qasim Ibrahim, der gegen das Wahlresultat Einspruch erhoben hat, warf Nasheed vor, er sei unislamisch. Gleichzeitig schenkt Qasim in seinen Resorts Alkohol aus und bietet seinen Gästen Schweinefleisch an», erklärt die Korrespondentin.
In dem islamischen Inselstaat im indischen Ozean ist Alkohol verboten. Zumindest für die 300‘000 Inselbewohner. Für die Touristen in den Luxus-Resorts gilt das Verbot nicht.
Dies ist nur einer der zahlreichen Widersprüche auf den Inseln. Wer Ferien macht in einem der 110 Luxus-Resorts, zahlt so viel für eine Nacht, wie ein Malediver in einem Monat verdient.
Ein Tourist produziert doppelt so viel Abfall wie ein Bewohner. Und wo der Abfall verschwindet, sieht der Besucher höchstens aus weiter Ferne. «Die Rauchwolke über der Abfallinsel Tilafushi sieht man von Kurumba aus – vom ältesten Luxus-Resort der Malediven. Die wenigsten Touristen wissen, was dort vor sich geht», sagt Karin Wenger, die mit Besuchern gesprochen hat.
Dilemma mit Bier und Bikini
Doch nun beginnt sich diese Trennung zwischen Besuchern und Inselbewohnern etwas aufzuweichen. Laut Karin Wenger öffnete Nasheed mit einer Guesthouse-Policy den Tourismus. Auf kleineren Inseln seien kleine, aber feine Gästehäuser entstanden. «Das provoziert einige Konflikte. Touristen wollen halt trotzdem im Bikini baden und Bier trinken.» Doch viele störe das auch nicht. Denn es öffnete auch den Arbeitsmarkt.
Auch die Natur profitiere von der Öffnung. Früher sei der Abfall achtlos am Strand deponiert worden, weiss Karin Wenger. «Heute ist den Bewohnern klar: Wenn Touristen kommen sollen, müssen wir unsere Insel sauber halten».
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