Die dramatischen Umstände des Loveparade-Unglücks mit 21 Toten sollen laut einem Beschluss des Duisburger Landgerichts nicht in einem Strafprozess aufgearbeitet werden. Das Gericht hat die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen zehn Mitarbeiter der Stadt und des Veranstalters abgelehnt.
Die Vorwürfe der Anklage können mit den vorgelegten Beweismitteln nicht bewiesen werden. Eine Verurteilung der Angeklagten ist deshalb nicht zu erwarten.
Bei der Staatsanwaltschaft Duisburg stösst dieser Entscheid auf Unverständnis. Er sei «nicht nachvollziehbar und rechtsfehlerhaft». Man habe deshalb Beschwerde eingelegt, teilte die Anklagebehörde mit.
Fahrlässige Tötung und Körperverletzung
Bei der Loveparade in Duisburg im Juli 2010 war es an einer Engstelle zu einer Massenpanik gekommen. 21 Menschen starben, 652 wurden verletzt – viele davon schwer. Im Februar 2014 hatte die Staatsanwaltschaft Anklage gegen sechs Mitarbeiter der Stadt und vier Mitarbeiter des Veranstalters erhoben. Ihnen wurden fahrlässige Tötung und Körperverletzung vorgeworfen. Seitdem hatte das Landgericht aufwendig geprüft, ob eine Verurteilung im Hauptverfahren, der Gerichtsverhandlung, wahrscheinlich ist.
Die Anklage stützte sich ganz wesentlich auf das Gutachten des britischen Panikforschers Keith Still. Er hatte Fehler bei der Planung, der Genehmigung und der Durchführung der Loveparade ausgemacht. Die zehn Angeschuldigten sollten mitverantwortlich dafür sein, dass die Rampe für den Zu- und Abgang für Zehntausende Besucher verengt wurde.
Umstrittenes Gutachten
Doch Still war schnell öffentlich in die Kritik geraten. Auch die 5. Grosse Strafkammer äusserte Zweifel. Heute nun stellten die Richter dem Briten ein vernichtendes Zeugnis aus. Sein Gutachten sei wegen gravierender Mängel nicht verwertbar. Zudem bestehe die Sorge, das Still nicht unbefangen an den Fall herangegangen sei.
Das Gericht erliess deshalb einen sogenannten Nichteröffnungsbeschluss. Wird die Beschwerde der Staatsanwaltschaft abgelehnt, gibt es kein weiteres Rechtsmittel.
Anwalt: «Ein Justizskandal»
Der Entscheid des Duisburger Landgerichts, keinen Strafprozess zu führen, hat Empörung bei den Nebenklägern ausgelöst. «Das ist ein Justizskandal, nach fünfeinhalb Jahren Ermittlungen zu so einem Ergebnis zu kommen», sagte der Düsseldorfer Anwalt Julius Reiter der Deutschen Presse-Agentur. Reiter vertritt rund 100 Betroffene, darunter die Angehörigen von vier Todesopfern. «Sie sind jahrelang mit der Ankündigung vertröstet worden, Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit.» Reiter sprach von einer «Bankrotterklärung der Justiz».