Die Hauptangeklagten Massimo Carminati und Salvatore Buzzi werden für den Prozess aus Sicherheitsgründen gar nicht erst nach Rom verbracht. Die vermeintlichen Mafiabosse bleiben in ihren Hochsicherheitsgefängnissen in Parma und auf Sardinien. Nur die kleineren Fische werden im verbunkerten Gerichtssaal an der Römer Peripherie den Richtern vorgeführt.
Lirio Abbate, Journalist und Mafia-Experte, war der erste, der vor drei Jahren über die Machenschaften der Angeklagten berichtete: Diese Mafia sei in den letzten zehn Jahren entstanden, die Fäden habe Carminati gezogen, ein mehrfach verurteilter Krimineller aus dem Dunstkreis des italienischen Neofaschismus.
Unterwanderung der öffentlichen Dienste
Dort lernte Carminati den ehemaligen Römer Bürgermeister Gianni Alemanno kennen, der einer neofaschistischen Partei angehörte. Mit solchen Verbindungen haben Carminati und Buzzi gemäss Anklage ein mafiöses Netz geknüpft – mit Politikern und Unternehmern. Sie hätten ganze Teile der Stadtverwaltung unterwandert.
Die Römer Mafia war unsichtbar, hat nicht getötet, aber die Demokratie vergiftet.
Vor allem in der Müllabfuhr, im öffentlichen Verkehr, aber auch bei Flüchtlingsunterkünften hielten sie öffentliche Auftäge nicht dem besten oder günstigsten Anbieter zu, sondern jenem, der am meisten Schmiergeld zahlte.
Die Staatsanwälte werden den 46 Angeklagten nun beweisen müssen, tatsächlich eine mafiöse Struktur gebildet zu haben, was gar nicht so einfach ist: «Die Römer Mafia war unsichtbar, hat nicht getötet, aber die Demokratie vergiftet», sagt Abbate.
Tatsächlich sind linke wie auch rechte Politiker angeklagt. Mit einer Ausnahme: Mitglieder der Bewegung des Komikers Beppe Grillo wurden bisher keine verhaftet. Das erklärt die grosse Popularität dieser Bewegung gerade in Rom.
Ein Teil des kriminellen Netzwerkes ist zurzeit im «Standby-Modus» und wartet ab.
Trotz der der vielen Verhafteten, der Ermittlungen und der Aktenberge ist Abbate überzeugt, dass noch nicht alles ans Tageslicht gekommen ist: Ein Teil des kriminellen Netzwerkes bestehe weiter, sei sozusagen im «Standby-Modus». Die verbliebenen Mitglieder warteten ab.
Letzte Woche wurde Roms Bürgermeister wegen einer Spesenaffäre abgesetzt, die Verwaltung ist schwach, Ansatzpunkt für illegale Geschäfte gibt es weiter zuhauf. Abbates Zuversicht, dass dieser Prozess die Wende bringt, ist deshalb nicht eben gross: «Nötig wäre eine Kultur der Gesetzmässigkeit, der Legalität, doch die existiert nicht.»