Nach 17 Jahren sozialistischer Regierung steht das Land mit den grössten Rohölreserven der Welt am Abgrund. In Venezuela wird kaum noch etwas produziert, weil grundsätzliche Güter fehlen. Die Versorgung mit Nahrung und Medizin ist nicht mehr gesichert.
Dass die wirtschaftliche Lage katastrophal ist, bestätigt auch SRF-Wirtschaftsredaktor Reto Lipp. So würden zum Beispiel die Staatsbediensteten nur noch am Montag und Dienstag arbeiten. «Anschliessend schickt man sie nach Hause, weil man Energie sparen will», sagt Lipp zu SRF News. Gleichzeitig verbrächten die Bürger jeden Tag Stunden in Schlangen vor Einkaufsläden – es herrsche Mangel an allem.
Grund für die Misere ist der gesunkene Ölpreis. Die praktisch einzige Einnahmequelle Venezuelas versiegt allmählich. Die unter Präsident Nicolás Maduro verfügten Sozialleistungen kann sich das Land nicht leisten. Venezuela kann seine Schulden nicht mehr bedienen und der Teufelskreis dreht sich.
Kaum Geduld mit Maduro
Maduro schiebt die Misere jedoch anderen zu – vor allem den USA. Er ist der Ansicht, dass die USA seinem von Hugo Chávez geerbten «Sozialismus des 21. Jahrhunderts» den Garaus machen wollten.
«Das Land steht am Abgrund – ob es seine Schulden zahlt oder nicht, scheint gar nicht mehr so relevant zu sein angesichts des bereits bestehenden Chaos», urteilt Lipp weiter. Zudem dränge die Zeit vor allem für Maduro. Die Bevölkerung habe kaum Geduld mit dem Präsidenten.
Höherer Ölpreis reicht nicht
«Doch eine schnelle Lösung wird es nicht geben, denn kein Mensch investiert noch in Venezuela», erklärt der SRF-Wirtschaftsexperte weiter. Venezuela könne eigentlich nur auf höhere Ölpreise hoffen. Dass der Ölpreis in den letzten Wochen etwas gestiegen sei, helfe etwas, «die Lage ist aber so schlimm, dass dies bei weitem nicht reicht.» Allerdings sei gerade das Öl ein Sinnbild für die totale Misswirtschaft von Venezuelas Politiker-Kaste. Das Land habe mehr Ölreserven als Saudi-Arabien – und könne nicht mal mehr Medikamente kaufen. «Mehr Misswirtschaft ist kaum noch möglich», betont Lipp.
Und wie reagiert die Weltwirtschaft? Aus humanitärer Sicht sei eine Staatspleite eine Katastrophe, betont Lipp. «Für die Ökonomie als Ganzes ist Venezuela nicht wirklich wichtig.» Aber: «Staaten können eigentlich nicht richtig Bankrott gehen.» Denn Steuern erheben oder Güter von ihren Bürgern konfiszieren, könne ein Staat immer.
Venezuela ist nicht Griechenland
Zudem könne ein Staat, der eine eigene Währung hat – im Gegensatz zu Griechenland – eine Finanzreform durchführen, indem beispielsweise eine neue Währung eingeführt werde und die Schulden in der alten Währung nicht mehr bezahlt würden. «Gleichzeitig wird Geld gedruckt, was natürlich nicht nachhaltig ist, weil eine Hyper-Inflation entsteht und kein ausländischer Gläubiger solches Geld haben will.»
Ein internationales Insolvenzrecht für Staaten gibt es nicht. Von daher gebe es keine internationale Regelung wie ein Staatsbankrott ablaufen könne, erklärt Lipp. Das Pech für Venezuela: Das Land hat nicht wie zum Beispiel Griechenland die EU und die Europäische Zentralbank im Rücken, die einspringen und Milliarden-Kredite überweisen. So oder so – es kommen schlechte Zeiten auf Venezuela zu und diese könnten noch bis in den Herbst hinein dauern (siehe Textbox).