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Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wird sitzend überrascht vom Händedruck des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan.
Legende: Eine Handreichung gibt es für Erdogan auch nur unter harten Bedingungen: Die Visa-Pflicht für seine Bürger soll fallen. Reuters

International Merkel feilscht in Türkei um Flüchtlings-Konsens

Geschenk und Gegengeschenk nennt das die Diplomatie. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bietet der Türkei Visums-Erleichterungen. Dafür aber soll der Beschenkte den Flüchtlingsstrom über sein Gebiet begrenzen. Und irgendwo auch ist die Rede von den Kurden.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel verwendet bildreiche Worte. An einer gemeinsamen Pressekonferenz in Istanbul spricht sie im Beisein des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan vom «Zusammenrücken im Kampf gegen die Ursachen der Flüchtlingskrise».

Auf vergoldeten Sesseln sitzend, betonten Merkel und Erdogan im prächtigen Amtssitz des türkischen Präsidenten am Bosporus das gemeinsame Interesse an einer Lösung der Flüchtlingskrise.

Die Flüchtlingsfrage, der Syrien-Konflikt und der Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) seien «Interessen, die beide Länder aufs Intensivste teilen», sagte Merkel.

Der türkische Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch in Istanbul.
Legende: Wo die Interessen der Türkei liegen, daran liess Ministerpräsidenten Davutoglu beim Treffen mit Merkel keinen Zweifel. Reuters

Bittstellerin mit klaren Forderungen

Merkel signalisierte – wie bereits am Mittag im Gespräch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu – die Bereitschaft, der Türkei bei dem Wunsch nach erleichterten Einreisen seiner Bürger entgegenzukommen.

Deutschland biete an, den Visa-Prozess zu beschleunigen. Gleichzeitig pochte sie auf eine Begrenzung des Zustroms von Flüchtlingen über die Türkei. So soll Ankara die Umsetzung eines Vertrages beschleunigen, der die Rückführung von Flüchtlingen in die Türkei vorsieht.

Flüchtlings-Vertrag

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Dies ist ein Rückübernahmeabkommen, das bereits zwischen EU und Türkei ausgehandelt ist. Darin sichert die Türkei zu, alle Flüchtlinge wieder aufnehmen, die über ihr Territorium nach Europa gelangen. Angesichts der aktuellen Fluchtwelle wäre das ein wichtiger Beitrag, um die Zahl der in der EU ankommenden Syrer wesentlich zu verringern.

Erdogan unterstrich die Notwendigkeit einer Lastenteilung zwischen Türkei und Europa. Ankara fordert als Gegenleistung für Hilfszusagen in der Flüchtlingskrise von der EU Milliardenzahlungen.

Davutoglu machte sich derweil am Mittag in diesem Zusammenhang erneut für die von der Türkei angeregte Sicherheitszone in Nordsyrien stark. Diese sei dringend nötig, um den Flüchtlingsstrom einzudämmen. Angesichts der schweren Kämpfe um die nordsyrische Stadt Aleppo drohe eine weitere Flüchtlingswelle.

Weniger steile Schwellen zum EU-Beitritt

Die Kanzlerin räumte ein, die Türkei habe bislang wenig internationale Unterstützung erhalten, obwohl das Land rund zwei Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Nachbarland Syrien aufgenommen hat. «Und deshalb werden wir uns finanziell stärker engagieren», sagte mit Blick auf geplante Massnahmen der Europäischen Union.

Deutschland werde seinen Beitrag leisten. Zudem sagte die Kanzlerin zu, den Beitritts-Prozess der Türkei zur EU voranzutreiben. Dass dies nicht erleichtert wird durch den neu aufgeflammten Konflikt mit den Kurden im Land, ist Merkel dabei wohl bewusst gewesen.

Ist Merkels Reise Wahlkampfhilfe für Erdogan?

So äusserte die deutsche Kanzlerin den Wunsch, die türkische Regierung möge nach der anstehenden Parlamentswahl die Versöhnung mit den Kurden anstreben. Vor Wochen ist der Konflikt mit der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK offen ausgebrochen.

Seitdem bekämpfen sich türkisches Militär und Kurden-Milizen im Grenzgebiet. Auch wegen des Vorgehens der Türkei gegen die PKK haben Oppositionspolitiker die Reise der Kanzlerin nach Istanbul kritisiert. Der Besuch komme einer Wahlkampfhilfe für die AK-Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan gleich, monieren sie.

Merkel wies Kritik an ihrem Besuch in Istanbul zwei Wochen vor der türkischen Parlamentswahl zurück. «Ich gehe davon aus, dass freie und faire Wahlen stattfinden», sagte sie. Die Kanzlerin unterstrich das deutsche Interesse an einer «stabilen Türkei».

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