Bundeskanzlerin Angela Merkel hält zu ihrer Bildungsministerin. Sie habe «volles Vertrauen» in Annette Schavan, liess die Kanzlerin am Mittwoch mitteilen. Schavan bekräftigte auf ihrer Südafrika-Reise, sie werde die Aberkennung ihres Doktortitels juristisch bekämpfen.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Bundesregierung habe die Aberkennung von Schavans Doktortitel zur Kenntnis genommen. Man verstehe, dass sie nun ihre juristischen Möglichkeiten ausschöpfen wolle. Damit werde ein geordnetes rechtliches Verfahren eingeleitet.
Nach der Rückkehr der Ministerin aus Südafrika werde «Gelegenheit sein, in Ruhe miteinander zu reden», stellte Seibert weiter fest. Merkel sei «in gutem Kontakt» mit Schavan und schätze deren Leistung ausserordentlich.
SPD und Grüne machen Druck
Die SPD pocht inzwischen auf einen raschen Rücktritt Schavans. «Frau Schavan hat nicht so dreist getäuscht wie zu Guttenberg. Aber geschummelt ist geschummelt», sagte der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann.
Als Vorbild für junge Doktoranden, die die wissenschaftlichen Regeln einhalten wollen und müssen, sei Schavan denkbar ungeeignet. Auch Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hält die Bildungsministerin nicht mehr für glaubwürdig.
Die CDU wies die Rücktrittsforderungen zurück. In Deutschland sei für den Job des Bildungsministers ein Doktortitel keine Voraussetzung, sagte Michael Kretschmer, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Ausschlaggebend sei Schavans fachliche Eignung.
Ist Schavan zu retten?
«Sie hat nicht gesagt, dass sie bleiben wird, sondern nur, dass sie kämpfen wird», stellt SRF-Korrespondent Stefan Reinhart fest. Schavan werde nun wohl prüfen, wie sich das Trommelfeuer der Opposition in den nächsten Tagen entwickelt. Die Erfolgschancen für eine Klage Schavans schätzt Reinhart als relativ schlecht ein. Gerichte hätten in neun von zehn Fällen zugunsten der Universitäten entschieden.
«Sie mag noch Rechte haben, aber die Legitimation ist weg.» Das meint SRF-Korrespondent Casper Selg. Schavan klage jetzt gegen eine Uni, nur weil diese eine saubere wissenschaftliche Arbeitsweise verlange.
«Dafür dürfte die verantwortliche Ministerin eigentlich nicht Klage führen, sondern müsste hohes Lob aussprechen», kommentiert Selg. Dies seien Widersprüche, auf welche die Opposition zu Recht reagiere.
Ist die grosse Aufregung gerechtfertigt?
Heribert Prantl von der «Süddeutschen Zeitung» betont gegenüber Radio SRF: Der Fall Schavan liege über 30 Jahre zurück. Und mit dem Fall Guttenberg sei er nicht zu vergleichen. Ungeachtet dessen sei es für eine Bildungsministerin eine elende Geschichte. «Es ist ja fast so, als ob sich herausstellt, dass sich der Papst die Priesterweihe erschwindelt hat», sagt der deutsche Politik-Experte.
Schavans Argument, vor 30 Jahren hätten andere Standards beim Zitieren in Doktorarbeiten gegolten, lässt Prantl nicht gelten. Geändert hätten sich allerdings die Überprüfbarkeit und die Art und Weise, wie Doktorarbeiten entstehen. Die grosse Aufregung hält Prantl nicht für gerechtfertigt. Alles verjähre einmal, er verstehe nicht, warum dies für einen Fall im «unteren Bereich» des Plagiierens nicht gelten soll.