Im Jahr 2005 haben sich fast zeitgleich zwei entscheidende politische Ereignisse ereignet. Am 3. Oktober nahm die Europäische Union die Verhandlungen mit der Türkei über einen möglichen Beitritt zur Union auf. Nur wenige Wochen später, am 22. November, wird CDU-Politikerin Angela Merkel zur ersten Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland gewählt.
Ein Zufall. Dennoch, der mögliche EU-Beitritt der Türkei schwebt über Merkels Kopf seit dem ersten Tag ihres Amtsantritts. Die Flüchtlingskrise scheint nun dem türkischen Präsidenten in die Hände zu spielen. Ebnet die Flüchtlingskrise Ankara den Weg in die EU?
Das Verhältnis EU-Türkei in der Chronologie
- 11. Dezember 1999
Noch vor der Jahrtausendwende wird die Türkei zum offiziellen EU-Beitrittskandidaten. Seither ist die Europäische Union um 13 Staaten gewachsen – ohne die Türkei.
- 6. Oktober 2004
Die EU fordert von der Türkei Reformen. Diese beinhalten u.a. die Abschaffung der Folter und der Todesstrafe, die Zulassung der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit und Massnahmen gegen die Unterdrückung der kurdischen Minderheit. Obwohl es bei der Umsetzung der Reformen hapert, empfiehlt die EU-Kommission die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.
- 3. Oktober 2005
Die Beitrittsverhandlungen beginnen. Als Ziel ist eine Mitgliedschaft in der EU vorgegeben. Einschränkend wir aber im Rahmentext festgelegt, dass nach zehn oder fünfzehn Jahren Beitrittsverhandlungen die EU prüft, ob die Türkei die Beitrittskriterien erfüllt und ob die Union eine Mitgliedschaft der Türkei wirtschaftlich oder politisch verkraften kann.
- Ende 2006
Im jährlich publizierten Fortschrittsbericht der EU bemängelt Brüssel die Umsetzung verschiedener Reformen in der Türkei. Zudem weigert sich die Türkei, das sogenannte Ankara-Protokoll umzusetzen. Dieses beinhaltet die Anerkennung der Ausdehnung der Zollunion auf die damaligen neuen EU-Mitgliedstaaten, darunter Zypern. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat dieses Protokoll zwar unterschrieben. Allerdings wurde es noch nicht vom Parlament ratifiziert. Die Folge: Acht Verhandlungskapitel werden daraufhin suspendiert.
- 10. Januar 2007
Die Regierung in Ankara beschliesst unabhängig von der EU einen eigenen Reformkatalog bis 2013 umzusetzen.
- Ende 2007
Die Zahl der Anschläge der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK in der Türkei nehmen zu. Von der EU geforderte Minderheitenrechte auch für die Kurden rücken in den Hintergrund. Der EU-Fortschrittsbericht aus Brüssel fällt negativ aus.
- März 2010
Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt einen EU-Beitritt der Türkei ab und befürwortet stattdessen eine «privilegierte Partnerschaft».
- Juli 2011
Ministerpräsident Erdogan kündigt an, die Beitrittsverhandlungen mit der EU für die zweite Jahreshäfte 2012 auszusetzen. Wieder ist Zypern der Grund. Die international anerkannte Republik Zypern hat in diesem Zeitraum die EU-Ratspräsidentschaft inne.
- 28. Mai 2013
In Istanbul beginnen Demonstrationen gegen die Regierung Erdogan. Auslöser ist ein geplantes Bauprojekt der Regierung im Gezi-Park in Istanbul. Die Demonstrationen weiten sich aus und werden zum Generalprotest gegen die türkische Regierung.
- Juni 2013
Wegen der Polizeigewalt gegen die Demonstranten wächst die internationale Kritik am autoritären Vorgehen der von Erdogans Partei AKP geführten Regierung. Deutschland, Österreich und die Niederlande lehnen die Öffnung eines neuen Verhandlungskapitels ab.
- 29. November 2015
Auf einem Sondergipfel in Brüssel einigen sich die EU und die Türkei auf einen Aktionsplan, um den Zustrom syrischer Flüchtlinge nach Europa einzudämmen. Dafür soll Ankara europäische Milliardenhilfen erhalten. Ausserdem sollen fünf von acht blockierten EU-Beitrittskapiteln wieder geöffnet werden.
- 18. März 2016
Die EU und die Türkei einigen sich darauf, Migranten, die ab dem 20. März illegal in Griechenland ankommen, in die Türkei zurückzuschicken. Im Gegenzug soll für jeden zurückgenommenen Syrer ein anderer Syrer legal und direkt von der Türkei aus in die EU einreisen dürfen. Die von der EU festgesetzte Obergrenze liegt bei 72'000 Schutzsuchenden.
- 4. April 2016
Auf Grundlage des EU-Flüchtlingsabkommens beginnt die Rückführung von Flüchtlingen und anderen Migranten von Griechenland in die Türkei sowie die Umsiedlung von Syrern aus der Türkei in die EU.