Der pompösen Siegesparade vom Samstag war die deutsche Kanzlerin wie fast alle ihre westlichen Kollegen ferngeblieben – aus Protest gegen Russlands Ukraine-Politik. Heute Sonntag reiste Angela Merkel dann aber nach Moskau, um mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Grab des Unbekannten Soldaten einen Kranz niederzulegen.
Auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Putin machte sie dann zunächst klar, warum sie einen Tag später doch noch kam: Als deutsche Bundeskanzlerin verneige sie sich, «vor den Millionen Opfern, den dieser Krieg, vom nationalsozialistischen Deutschland entfesselt, gefordert hat».
Es werde immer im Bewusstsein bleiben, «dass es die Völker der Sowjetunion waren, die Soldaten der Roten Armee, die damals die höchste Zahl der Opfer zu beklagen hatten».
«Ein schwerer Rückschlag»
Diese bitteren Erfahrungen der Geschichte seien eine Lehre, dass die schwierigen Situationen wie die gegenwärtige nur diplomatisch gelöst werden könnten, sagte Merkel weiter und brachte das Gespräch damit zurück auf die Krise in der Ostukraine. Trotz der Minsker Vereinbarung sei bis heute kein Waffenstillstand eingetreten, es gebe nach Angaben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) «sehr, sehr viele Verstösse von der separatistischen Seite», sagte die Kanzlerin, um hinzuzufügen: «Ich glaube, der russische Präsident hat Einfluss auf die Separatisten.»
Mit Blick auf den Beginn der Krise wurde Merkel dann besonders deutlich: Die deutsch-russische Zusammenarbeit «hat durch die verbrecherische und völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die militärische Auseinandersetzung in der Ostukraine einen schweren Rückschlag erlitten». Sie sehe darin «eine Verletzung der Grundlagen der gemeinsamen europäischen Friedensordnung». Der russische Präsident reagierte zunächst nicht auf die Wortwahl.
Russland sieht sich weiter im Recht
Moskau sieht die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation im Einklang mit dem Völkerrecht. Die Schwarzmeer-Halbinsel hatte sich im März 2014 in einer umstrittenen Volksabstimmung für einen Beitritt zu Russland ausgesprochen. Die Ukraine sieht das Referendum im klaren Widerspruch zur Verfassung der Ex-Sowjetrepublik.
Anders als der Westen, der von Annexion – also von einer gewaltsamen Aneignung – spricht, nennen die Russen den Krim-Anschluss eine «Wiedervereinigung». Putin betont immer wieder, dass es auf der Halbinsel eine Tragödie gegeben hätte wie in der Ostukraine, wenn Russland nicht eingeschritten wäre.