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Eine Frau hält einen Joint in der Hand, den Mund weit geöffnet.
Legende: Schlag gegen die Mafia: Den Klägern ging es nicht nur darum, selbst einen Joint anzünden zu dürfen. Reuters

International Mit legalen Drogen gegen die mexikanische Mafia

In Mexiko hat das Oberste Gericht entschieden, dass Anbau, Ernte und Konsum von Marihuana für Privatpersonen weitgehend legalisiert werden sollen. Das Thema wurde wochenlang heiss debattiert. Denn ein Grossteil der Einkünfte der Drogenmafia stammen aus dem Geschäft mit Marihuana.

Klaus Ehringfeld

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Der 1964 geborene Deutsche hat Geschichte und Jura studiert. Mit Lateinamerika beschäftigt er sich seit 30 Jahren. Er lebt und arbeitet als freier Korrespondent in Mexiko-Stadt.

SRF News: In Mexiko soll Marihuana legalisiert werden. Wie weit geht dieses Urteil des Obersten Gerichtshofes?

Klaus Ehringfeld: Die Legalisierung geht sehr weit. Das Oberste Gericht in Mexiko-Stadt hat grundsätzlich erlaubt, Cannabis anzupflanzen, zu ernten und auch Marihuana für persönliche Zwecke zu konsumieren.

Was hat denn zu diesem Entscheid geführt?

Ausgangspunkt war die Verfassungsbeschwerde von vier Mexikanern, die argumentiert hatten, das geltende Verbot von Cannabis verletze ihr Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung. Dabei ging es ihnen nicht darum, selbst ein Recht auf Rausch zu haben, sondern sie wollten ein politisches und soziales Signal senden.

Parteien und zivilgesellschaftliche Organisationen haben politischen Druck für eine Legalisierung aufgebaut. Was ist deren Motivation?

Ihnen ist es wichtig, den mexikanischen Kartellen die exorbitanten Gewinne streitig zu machen, dabei aber auch die Justiz zu entlasten. Denn die Mehrheit der Häftlinge, die wegen Drogendelikten eine Strafe verbüssen, sitzt wegen einer minimalen Menge Marihuana ein, oder weil einer zuhause eine Cannabis-Pflanze hatte. Die Beschwerdeführer wollen damit die Drogenpolitik entkriminalisieren.

Verschiedene US-Bundesstaaten und etliche Staaten Lateinamerikas haben den Umgang mit Marihuana liberalisiert. Inwiefern hatte das einen Einfluss auf die Debatte in Mexiko?

Natürlich kommt ein sehr grosser Einfluss aus den USA. Der nördliche Nachbar ist die Referenz in vielen politischen und sozialen Fragen. Noch stärker wird die Diskussion hier aber von vielen ehemaligen Präsidenten Lateinamerikas beeinflusst, die sich in so einer Art Think Tank zusammengeschlossen haben. Sie sagen, man müsse über die Legalisierung von Drogen nachdenken, da die bisherige Politik versagt hat. Sie schafft nur Leid und Tote, und was sie beabsichtigt, schafft sie nicht, nämlich: Die Gewinne der Kartelle zu reduzieren.

In Mexiko sehen Befürworter die Legalisierung von Marihuana auch als Waffe im Kampf gegen die Drogenkartelle. Wie gross sind die Chancen, dass die Legalisierung tatsächlich die illegalen Geschäfte der Mafia unterbindet?

Das wird sich zeigen. Noch ist dieser Entscheid ein Präzedenzfall, der noch vier weitere Urteile braucht, um bindendes Recht zu werden. Das scheint mir aber nur eine Frage der Zeit zu sein. Dann werde den Kartellen der Markt mit dem immer populärer werdenden Marihuana vermiest, heisst es. Ein Drittel aller Gewinne macht die Rauschgift-Mafia schon mit Marihuana. Das sind nach Einschätzung der US-Justiz bis zu 14 Milliarden Dollar im Jahr – also ein ordentlicher Brocken.

Und hat diese Massnahme auch valable Aussichten, der Mafia nicht nur einen Geschäftszweig wegzunehmen, sondern auch den Drogenkrieg einzudämmen?

Naja, das wird man sehen. Wenn kein Gewinn mehr zu machen ist mit dem Verkauf und dem Transport von Drogen, dann wird sich die Mafia möglicherweise anderen Geschäftsmodellen zuwenden, und dann wäre zumindest der Druck aus der Drogenpolitik weggenommen.

Das Gespräch führte Philippe Chappuis.

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