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König Juan Carlos mit seinem Sohn Felipe und dessen Tochter.
Legende: Wie der Vater so der Sohn: Könige von Spanien. Reuters

International «Monarchien müssen Identifikations-Möglichkeiten bieten»

Der neue König von Spanien heisst Felipe VI. Sein Vater Juan Carlos unterzeichnete am Mittwoch seinen Thronverzicht. Die Monarchie lebt weiter. Warum dies auch noch morgen so sein wird, verrät der Historiker Rolf Ulrich Kunze im Interview.

Für Spanien ist eine neue Epoche angebrochen: König Juan Carlos hat nach fast vier Jahrzehnten auf dem Thron abgedankt. Sein Sohn Felipe ist damit ab Donnerstag neuer König des Landes. Zeit, um die Königshäuser in Europa unter die Lupe zu nehmen.

SRF: Haben Monarchien in Europa Zukunft – oder sind sie ein Auslaufmodell?

Rolf Ulrich Kunze: Ich denke die Monarchie hat unbedingt eine Zukunft, weil es hier immer wieder die Chance gibt, dass eine Gesellschaft sich mit ihrer Monarchie einigt auf das, was ihr historisch und politisch wichtig ist.

Können sie dazu ein Beispiel nennen?

Ein Beispiel ist die Biografie des spanischen Thronfolgers Felipe. Als 13-Jähriger erlebte er die Krise der spanischen Demokratie. Sein Vater Juan Carlos kämpfte für den Erhalt der Demokratie. Felipe begleitete seinen Vater damals eine ganze Nacht lang. Der König von Spanien wird sich sicherlich immer daran erinnern, dass sich eine Demokratie in der Krise nicht von selbst versteht, sondern dass man auch als Monarch für sie einstehen muss.

Und doch wird immer wieder diskutiert, ob Monarchien überhaupt noch zeitgemäss sind.

Das ist ganz klar. Man muss sich fragen: sind sie verfassungsgemäss? Sind sie vereinbar mit dem EU-Recht? Und im Übrigen sind sie teuer. Und darüber muss man in demokratischen Gesellschaften reden. Auch Monarchien in Europa sind Demokratien.

Ist irgendeine Monarchie in Europa in Gefahr?

Nicht wirklich. Weil bei einem Thronwechsel zwischen der Gesellschaft und der Monarchie immer auf neue Weise ausverhandelt wird, worum es bei einer Monarchie wirklich geht. Nicht nur um schöne Bilder im Fernsehen und im Internet, sondern um sehr lange Fragen der Geschichte, nationaler Identität und wie man sich sieht. Gerade in Grossbritannien kann man das schön verfolgen.

Wie meinen Sie das?

Man kann eben sehen, wie sich die englische Monarchie im gesamten 20. Jahrhundert immer wieder neu definiert hat. Königin Elisabeth II. als junge Thronfolgerin im Zweiten Weltkrieg, LKW-fahrend und in Uniform. Das sind Bilder, an die sich heute vielleicht wenige Menschen erinnern, aber dafür erinnern sie sich an andere Bilder.

Jede Monarchie muss es schaffen, Identifikations-Möglichkeiten für die Menschen im Land zu bieten. Das ist der britischen Monarchie im 20. Jahrhundert immer wieder gelungen.

Dann muss sich die Monarchie ständig dem Zeitgeist anpassen, um zu überleben?

Auf der einen Seite muss sie das ganz zweifellos. Auf der anderen Seite darf sie auch selbst nicht aufgeben. Jede Monarchie steht für einen ganz bestimmten Weg in die Moderne. Dem sollte sie in gewisser Weise auch treu bleiben. Die englische Monarchie ist nicht die niederländische. Es gibt in der englischen Monarchie eben nicht eine Tradition des Rücktritts wie in der niederländischen Monarchie.

Sind die Monarchien mehr als eine Reality-Soap?

Das sind sie ganz bestimmt. Sie sind sogar eine Chance für die Gesellschaft, sich Gedanken zu machen über die eigene Geschichte und wie man sich selbst national repräsentieren und sehen will. Das gelingt mal besser, mal schlechter.

Das Gespräch führte Christoph Kellenberger.

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