Die Massenproteste gegen den islamistischen Präsidenten Mursi bringen Ägypten an den Abgrund. Sowohl die mächtige Armee, als auch die Opposition haben den regierenden Muslimbrüdern ein Ultimatum gestellt.
Die Opposition hatte gefordert, dass Mursi sein Amt bis Dienstag um 17 Uhr niederlegt. Die Frist ist abgelaufen. Die Leute haben sich in der Folge Richtung Präsidentenpalast bewegt. Sie haben angekündigt, neben den Protesten werde nun eine Kampagne des zivilen Ungehorsams gestartet, wie der Journalist Thomas Avenarius gegenüber SRF berichtet.
«Armee kann Chaos kaum verhindern»
Das Ultimatum der Armee dauert noch bis Mittwochnachmittag: Bis dahin müssten die rivalisierenden Lager sich zum Wohle des Landes auf einen Kompromiss einigen. Ansonsten will die Armee notfalls das Ruder übernehmen und einen eigenen Fahrplan aus der Krise vorlegen.
Doch nach Ansicht von Avenarius kein einfaches Unterfangen: «Die Armee müsste das politische Kunststück fertigbringen, die Kontrahenten an einen Tisch zu bringen, zum Verhandeln zu zwingen und gleichzeitig nicht selber die Fäden zu ziehen.» Die Armee sei zwar stark, aber bei so vielen Menschen auf der Strasse sei es schwierig, ein Chaos zu verhindern.
Dennoch: Es ist dieselbe Armee, die 2011 den damaligen Präsidenten Hosni Mubarak gestürzt hat, um der Revolution den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Zusammenstösse zwischen Mursi-Anhängern und Opposition
Bislang hat sich auch die Polizei zurückgehalten, selbst als die Zentrale der Regierungspartei gestürmt wurde. «Mursi ist ein halber Präsident», urteilt Avenarius. «Ein Präsident ohne Zugriff auf die Sicherheitskräfte». Teile der Polizei haben sich mit den Protestierenden verbündet. Eigentlich absurd: Noch vor zwei Jahren wurden sie von der Polizei beschossen und gefoltert.
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Bild 1 von 32. 06.07.2013 Das ägyptische Militär bleibt an strategischen Orten – wie hier vor dem Fernsehgebäude – stationiert. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 32. 06.07.2013 Die Spuren der Nacht werden von Strassenkehrern weggewischt. Bildquelle: Reuters.
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Bild 3 von 32. 06.07.2013 Das Militär bleibt weiterhin präsent und versucht Anhänger und Gegner des abgesetzten Präsidenten Mursi zu trennen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 32. 06.07.2013 Die Ausschreitungen gingen auch in der Nacht zum Samstag weiter. Mittlerweile sind mindestens 30 Menschen bei den Zusammenstössen ums Leben gekommen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 32. 05.07.2013 In Kairo lieferten sich Anhänger und Gegner des gestürzten Präsidenten Strassenschlachten an der 6. Oktober-Brücke in der Innenstadt. Beide Seiten bewarfen sich mit Pflastersteinen und gingen mit Stöcken, Brandsätzen und Feuerwerkskörpern aufeinander los. Die Sicherheitskräfte griffen nicht ein. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 32. 05.07.2013 Die Sicherheitskräfte haben bei den Ausschreitungen nach eigenen Angaben Tränengas und Platzpatronen eingesetzt. Bildquelle: Reuters.
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Bild 7 von 32. 05.07.2013 Das Freitagsgebet nahmen die Mursi-Anhänger zum Anlass, gegen die Entwicklung im Land zu protestieren. Sie bezeichneten den Tag als «Freitag der Ablehnung». Bildquelle: Reuters.
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Bild 8 von 32. 05.07.2013 Die Absetzung von Mursi feierte das Militär mit dem Zeichnen von Herzen in den Himmel. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 32. 03.07.2013 «Die Bevölkerung und die Armee stehen zusammen», riefen die Menschen auf dem Tahrir-Platz. Bildquelle: Keystone.
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Bild 10 von 32. 03.07.2013 Die Armee setzt die Verfassung aus, wie Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sisi am Mittwochabend in einer Fernsehansprache sagte. Bildquelle: Keystone.
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Bild 11 von 32. 03.07.2013 Der Ägyptische Präsident Mursi ist durch einen Militärputsch abgesetzt worden. Der Tahrir-Platz feiert. Bildquelle: Keystone.
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Bild 12 von 32. 03.07.2013 Hunderte Soldaten sind nahe des Präsidentenpalasts zu einer Miltärparade aufmarschiert. Bildquelle: Keystone.
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Bild 13 von 32. 03.07.2013 Mursi-Gegner in Kairo sind bereit für den Showdown. Die Protestbewegung kritisiert Mursi wegen seines autoritären Führungsstils, einer fortschreitenden Islamisierung im Land und auch wegen einer dramatisch verschlechterten Wirtschaftslage. Bildquelle: Keystone.
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Bild 14 von 32. 03.07.2013 Auch Mursis Anhänger sind bereit, für die Sache alles zu geben. Sie sehen die Krise als ideologischen Machtkampf – für oder gegen den Islam. Sie wehren sich ebenso dezidiert gegen eine Entmachtung Mursis. Bildquelle: Keystone.
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Bild 15 von 32. 03.07.2013 Mursis Gegner drohen ebenfalls mit weiteren Aktionen – allen voran die Protestbewegung «Tamarud». Die Gruppe hatte seit Anfang Mai mehr als 22 Millionen Unterschriften gegen den Präsidenten gesammelt, wie sie sagt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 16 von 32. 02.07.2013 Zweite Demonstrationsnacht in Folge: Hunderttausende – Mursi-Gegner und Befürworter – weichen nicht mehr zurück. Bildquelle: Keystone.
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Bild 17 von 32. 02.07.2013 Tahrir Platz in Kairo – zwischen Anspannung und Ausgelassenheit. Bildquelle: Keystone.
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Bild 18 von 32. 02.07.2013 Mursi-Gegner vor dem Präsidenten-Palast «Qasr Al Quba» lassen nicht locker. Bildquelle: Reuters.
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Bild 19 von 32. 02.07.2013 Gemeinsam stark: Frauen auf dem Tahrir Platz in Kairo fordern Mursis Rücktritt und zeigen ihm die rote Karte. Bildquelle: Reuters.
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Bild 20 von 32. 02.07.2013 Stehen für ihren Präsidenten ein: Mursi-Befürworterinnen vor dem Präsidenten-Palast in Kairo. Bildquelle: Reuters.
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Bild 21 von 32. 02.07.2013 Mitglieder der Muslimbruderschaft in Nasr City: Für sie ist klar – Mursi muss bleiben. Bildquelle: Reuters.
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Bild 22 von 32. 02.07.2013 Raba-El-Adwyia-Moschee-Platz in Kairo: Mursi-Anhänger üben den Widerstand. Bildquelle: Reuters.
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Bild 23 von 32. 02.07.2013 Schlichten unter Mursi-Gegnern: Viele Demonstranten bemühen sich gewaltbereite Männer zu beruhigen. Auch letzte Nacht sind erneut zahlreiche Menschen ums Leben gekommen. Bildquelle: Reuters.
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Bild 24 von 32. 01.07.2013 Demonstration der Stärke: Die Armee markiert nach Bekanntgabe ihres Ultimatums Präsenz. Helikopter der Streitkräfte, an denen Flaggen festgemacht sind, überfliegen den Tahrir-Platz. Bildquelle: Reuters.
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Bild 25 von 32. 01.07.2013 Die Wut der Opposition auf Mursi ist gross. Das Ultimatum des Militärs werten die Gegner der Regierung als Erfolg. Bildquelle: Keystone.
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Bild 26 von 32. 01.07.2013 Das Militär stellt sich auf die Seite der Mursi-Gegner und tritt mit demonstrativer Härte auf. Bildquelle: Keystone.
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Bild 27 von 32. 30.06.2013 Mit wehenden Fahnen und lautstarken Sprechchören haben am Sonntag mehr als 300'000 Ägypter gegen Präsident Mohammed Mursi protestiert. Bildquelle: Reuters.
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Bild 28 von 32. 30.06.2013 Viele Ägypter sind wegen der Massenproteste gegen die Muslimbruderschaft nach Kairo gereist. Bildquelle: Keystone.
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Bild 29 von 32. 30.06.2013 «Fort mit dir», fordern die Aktivisten auf dem Tahrir-Platz Präsident Mursi auf. Bildquelle: Keystone.
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Bild 30 von 32. 30.06.2013 Auch Anhänger Mursis und der Muslimbruderschaft gingen auf die Strasse. Für sie kommt ein Rückzug des Präsidenten nicht infrage. Bildquelle: Reuters.
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Bild 31 von 32. 30.06.2013 Die Wut richtete sich auch gegen die Muslimbruderschaft. Das Hauptquartier im Kairoer Viertel Muqattam wurde angegriffen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 32 von 32. 30.06.2013 Die Parteizentrale der Muslimbrüder wurde von den Protestierenden in Brand gesteckt. Bildquelle: Keystone.
Unbeeindruckt von dem Ultimatum des mächtigen Militärs stehen sich in Ägypten Islamisten und Opposition weiter unversöhnlich gegenüber. Tausende demonstrierten für und gegen die Muslimbruderschaft. Zwischen den beiden Lagern ist es zu ersten Zusammenstössen und Schusswechseln mit Verletzten gekommen – so etwa in Kairo, Alexandria und Banha. Offenbar starben dabei auch sieben Menschen.
Die Protestbewegung kritisiert Mursi wegen seines autoritären Führungsstils, einer fortschreitenden Islamisierung im Land und nicht zuletzt auch wegen einer dramatisch verschlechterten Wirtschaftslage. Mursis Anhänger sehen den Konflikt als ideologischen Machtkampf – für oder gegen den Islam.
Minister sagen sich von Mursi los
Mursi verliert auch zunehmend innerhalb seines Kabinetts an Rückhalt. Bereits fünf seiner Minister waren am Montag zurückgetreten. In der Nacht reichte auch Aussenminister Mohamed Kamel Amr nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Mena seinen Rücktritt ein. Die Minister sind nicht Mitglied der Muslimbruderschaft. Weiter haben offenbar zwei Sprecher des Präsidenten ihren Posten geräumt.
Und nun stellen sich auch die Islamisten der salafistischen Nur-Partei offen gegen Mursi und forderten laut Medienberichten vorgezogene Präsidentenwahlen. Sie ist die zweitstärkste Kraft im Parlament nach Mursis Muslimbrüder.
Mursi kam am Dienstag mit Armeechef und Verteidigungsminister General Abdel Fattah al-Sisi sowie Regierungschef Hischam Kandil zu einer Krisensitzung zusammen. In einer Erklärung hiess es, es werde «über die aktuellen politischen Entwicklungen beraten». Einzelheiten sind nicht bekannt.