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Ein Angehöriger der Opposition hält einen Schuh in der Hand, mit dem er ein Foto von Mursi traktiert.
Legende: Die Opposition hatte Staatspräsident Mohammed Mursi aufgerufen, den Weg für vorgezogene Präsidentenwahlen zu ebnen. Reuters

International «Mursi ist ein halber Präsident»

Die Uhr tickt in Kairo: Das Ultimatum der Opposition ist bereits abgelaufen, das der Armee schon zur Hälfte verstrichen. Auf der Strasse stehen die Zeichen auf Sturm, doch Mursis Möglichkeiten sind beschränkt: Teile der Polizei und der Armee haben sich mit den Demonstranten verbündet.

Die Pläne von Ägyptens Armee

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Die Armee will die Verfassung ändern und das Parlament auflösen, falls keine Einigung zwischen Mursi und der Opposition zustande kommt. Bis es eine neue Verfassung gibt, soll ein überwiegend aus Zivilisten bestehender Übergangsrat eingesetzt werden. Die Verfassung soll rasch geändert werden. Anschliessend soll ein neues Präsident gewählt werden.

Die Massenproteste gegen den islamistischen Präsidenten Mursi bringen Ägypten an den Abgrund. Sowohl die mächtige Armee, als auch die Opposition haben den regierenden Muslimbrüdern ein Ultimatum gestellt.

Die Opposition hatte gefordert, dass Mursi sein Amt bis Dienstag um 17 Uhr niederlegt. Die Frist ist abgelaufen. Die Leute haben sich in der Folge Richtung Präsidentenpalast bewegt. Sie haben angekündigt, neben den Protesten werde nun eine Kampagne des zivilen Ungehorsams gestartet, wie der Journalist Thomas Avenarius gegenüber SRF berichtet.

«Armee kann Chaos kaum verhindern»

Das Ultimatum der Armee dauert noch bis Mittwochnachmittag: Bis dahin müssten die rivalisierenden Lager sich zum Wohle des Landes auf einen Kompromiss einigen. Ansonsten will die Armee notfalls das Ruder übernehmen und einen eigenen Fahrplan aus der Krise vorlegen.

Doch nach Ansicht von Avenarius kein einfaches Unterfangen: «Die Armee müsste das politische Kunststück fertigbringen, die Kontrahenten an einen Tisch zu bringen, zum Verhandeln zu zwingen und gleichzeitig nicht selber die Fäden zu ziehen.» Die Armee sei zwar stark, aber bei so vielen Menschen auf der Strasse sei es schwierig, ein Chaos zu verhindern.

Dennoch: Es ist dieselbe Armee, die 2011 den damaligen Präsidenten Hosni Mubarak gestürzt hat, um der Revolution den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Zusammenstösse zwischen Mursi-Anhängern und Opposition

Bislang hat sich auch die Polizei zurückgehalten, selbst als die Zentrale der Regierungspartei gestürmt wurde. «Mursi ist ein halber Präsident», urteilt Avenarius. «Ein Präsident ohne Zugriff auf die Sicherheitskräfte». Teile der Polizei haben sich mit den Protestierenden verbündet. Eigentlich absurd: Noch vor zwei Jahren wurden sie von der Polizei beschossen und gefoltert.

Unbeeindruckt von dem Ultimatum des mächtigen Militärs stehen sich in Ägypten Islamisten und Opposition weiter unversöhnlich gegenüber. Tausende demonstrierten für und gegen die Muslimbruderschaft. Zwischen den beiden Lagern ist es zu ersten Zusammenstössen und Schusswechseln mit Verletzten gekommen – so etwa in Kairo, Alexandria und Banha. Offenbar starben dabei auch sieben Menschen.

El Baradei tritt auf die Bühne

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Friedensnobelpreisträger Mohammed El Baradei ist von der Opposition in Ägypten als ihr Sprecher eingesetzt worden. Der frühere Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) soll laut Opposition ein «Szenario entwerfen», mit dem ein «politischer Übergang» ermöglicht werde.

Die Protestbewegung kritisiert Mursi wegen seines autoritären Führungsstils, einer fortschreitenden Islamisierung im Land und nicht zuletzt auch wegen einer dramatisch verschlechterten Wirtschaftslage. Mursis Anhänger sehen den Konflikt als ideologischen Machtkampf – für oder gegen den Islam.

Minister sagen sich von Mursi los

Mursi verliert auch zunehmend innerhalb seines Kabinetts an Rückhalt. Bereits fünf seiner Minister waren am Montag zurückgetreten. In der Nacht reichte auch Aussenminister Mohamed Kamel Amr nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Mena seinen Rücktritt ein. Die Minister sind nicht Mitglied der Muslimbruderschaft. Weiter haben offenbar zwei Sprecher des Präsidenten ihren Posten geräumt.

Und nun stellen sich auch die Islamisten der salafistischen Nur-Partei offen gegen Mursi und forderten laut Medienberichten vorgezogene Präsidentenwahlen. Sie ist die zweitstärkste Kraft im Parlament nach Mursis Muslimbrüder.

Mursi kam am Dienstag mit Armeechef und Verteidigungsminister General Abdel Fattah al-Sisi sowie Regierungschef Hischam Kandil zu einer Krisensitzung zusammen. In einer Erklärung hiess es, es werde «über die aktuellen politischen Entwicklungen beraten». Einzelheiten sind nicht bekannt.

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