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International Nach Unglück auf dem Jangtse: Die Überlebenschancen schwinden

In China müssen sich Angehörige und die Behörden langsam auf den schlimmsten Fall vorbereiten. Nach dem Kentern eines Touristenschiffes auf dem Jangtse in Zentralchina muss mit über 400 Toten gerechnet werden. Bisher sind erst 65 Leichen geborgen worden.

Bei der Schiffskatastrophe auf dem Jangtse in China sind möglicherweise mehr als 400 Menschen ums Leben gekommen. «Wir müssen uns auf das Schlimmste vorbereiten», berichtete das Staatsfernsehen vom Unglücksort bei Jianli in der Provinz Hubei. «Die Chancen, noch Überlebende zu finden, ist gering.»

In den beiden Tagen seit dem Kentern des Touristenschiffes « Stern des Orients » am Montagabend in einem schweren Sturm konnten trotz einer grossen Bergungsaktion bisher erst 65 Leichen geborgen werden. Hunderte werden noch vermisst. An Bord waren 456 Menschen – neben 405 Touristen noch 5 Reiseführer und 46 Besatzungsmitglieder. Nur 14 Menschen konnten gerettet werden.

Schwierige Bergungsaktion

In Zweier- oder Vierergruppen suchten Taucher im Inneren des Schiffes nach Opfern. Die Sicht war wegen des trüben Wassers auch mit starken Scheinwerfern extrem schlecht, wie Verantwortliche erklärten. Heftige Strömung und niedrige Wassertemperaturen erschwerten die Suche. Vielfach konnten sich die Taucher nur tastend fortbewegen.

Zwei Bergungsschiffe sollten das 76 Meter lange Schiff anheben. Es liegt kieloben in mehr als zehn Meter tiefem Wasser. Um die Bergung zu unterstützen, wurde der Wasserstand des Jangtse verringert, indem der Abfluss aus dem weiter flussaufwärts liegenden Drei-Schluchten-Dammes gedrosselt wurde.

Chinas Staatsmedien berichteten über die Bergungsaktion detailliert und hoben besonders die «starke Führung» von Premier Li Keqiang bei der Koordinierung vor Ort hervor. Das Fernsehen zeigte, wie sich der Regierungschef in Trauer vor zwei mit weissen Tüchern zugedeckten Leichen auf einem Schiffsdeck verneigte und der Opfer gedachte. Die Abendnachrichten zeigten ihn ausserdem bei Überlebenden im Krankenhaus.

Scharfe Zensur im Netz

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Es mehrten sich kritische Stimmen im Internet, die Chinas Zensur aber strich. «Warum sind so wenig Menschen gerettet worden? Warum kenterte das Schiff und warum wurden der Kapitän und ein Besatzungsmitglied gerettet?», lautete ein gelöschter Beitrag, der von der Aktionsgruppe Free Weibo wiederhergestellt wurde. «Warum gab es keinen Notruf? Wer hat die Verantwortung, das Schiff zu stoppen, wenn es mit Wind und Regen konfrontiert ist?»

Häufig wurde diskutiert, wie ausgerechnet der Kapitän und der Chefingenieur zu den Überlebenden gehören konnten. Auch nach chinesischem Recht muss der oberste Schiffsführer im Notfall eine etwaige Evakuierung koordinieren und als letzter von Bord gehen. Es wurde auch darauf verwiesen, dass das Unglück sehr schnell passierte und es möglicherweise keine Zeit für Notaktionen gab.

Chinesische Medien durften nicht selber Reporter an den Unfallort entsenden, sondern mussten Berichte der Staatsagentur Xinhua nachdrucken. Gegen den Kapitän wurden bisher keine Vorwürfe erhoben, doch gab es viele Fragen über den Unfallhergang. Der Kapitän sprach von einem Tornado, der das Schiff in Schieflage und zum Kentern gebracht habe. Das Wetteramt bestätigte, dass es zum Zeitpunkt des Unglücks in dem Gebiet einen solchen Wirbelsturm gegeben habe.

Unklar war, warum das Schiff trotz des schlechten Wetters am Montagabend weitergefahren ist. So hatte ein anderes Schiff, das zu gleichen Zeit den Hafen verlassen hatte, angesichts des aufziehenden Sturmes seine Fahrt gestoppt, wie die «Chutian Metropolis Daily» berichtete. Der Bericht war später online nicht mehr abzurufen.

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