In einem Vorort von Kairo geht in den kommenden drei Tagen der Prozess gegen den gestürzten ägyptischen Machthaber Hosni Mubarak in die entscheidende Runde. Zeugen aus seinem innersten Machtzirkel sind vorgeladen – unter ihnen der frühere Geheimdienstchef Murad Muwafi und Mubaraks Ministerpräsident Atef Ebeid.
Eigentlich sollte dieser Teil des Prozesses live im Fernsehen übertragen werden. Dann aber verhängte der zuständige Richter eine Nachrichtensperre – aus «Gründen der nationalen Sicherheit».
Ohnehin hat das Interesse am Prozess gegen den Langzeitpräsidenten merklich nachgelassen. Warum? «Die Medien bereiten die Öffentlichkeit zurzeit auf die Prozesse gegen die Muslimbrüder vor und skandalisieren diese», so der Berner Islamwissenschaftler Reinhard Schulze im «Echo der Zeit». Der Mubarak-Prozess sei völlig in den Hintergrund getreten. «Für das Regime ist das durchaus sinnvoll, weil es im Augenblick seine Gegner eher in den Muslimbrüdern sieht als im Mubarak-Regime.»
«Das Regime will sich nicht verwundbar machen. Das würde es aber, wenn deutlich würde, dass zwischen dem alten und dem neuen Regime durchaus Allianzen bestehen», so die Einschätzung des Islamwissenschaftlers. «Es besteht also ein grosses Interesse, den Prozess hinter verschlossenen Türen zu führen. Mubarak kann so als ein Problem des Staates behandelt werden und nicht als ein gesellschaftliches.»
Fehlende Opposition
Verknüpfungen zwischen dem neuen und dem Mubarak-Regime gibt es nach Schulzes Worten auf vielen Ebenen – ökonomisch wie militärisch. Dass der starke Mann in Ägypten, Armeechef Abdulfattah Al-Sisi, dennoch so populär sei, sieht Schulze nicht als Widerspruch. «Er ist populär, weil er der jüngeren Garde der Generäle angehört», so der Experte. Zudem sei er aufgrund des Bildes, das er von sich selbst zeichne, auch für einen Teil der Anhänger der Muslimbrüder wählbar.
Nach Schulzes Worten haben Ägyptens Machthaber derzeit ausser in den Muslimbrüdern keine ernstzunehmende Opposition. Jene, die während des Arabischen Frühlings 2010/2011 auf die Strasse gegangen seien, spielten im politischen System des Landes gegenwärtig keine Rolle mehr. Zwar seien ihre Vertreter noch in Medien und Kultur vertreten. Eine politische Repräsentation aber hätten sie nicht gefunden.