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Eine Kriegsflotte
Legende: Noch keine echte Machtdemonstration der Nato: Das eine oder andere zusätzliche Kriegsschiff im Schwarzen Meer. Keystone

International Nato blüht in Osteuropa auf

Eines hat Russlands Präsident Putin ganz gewiss nicht gewollt: die Nato zu neuem Leben zu erwecken. Doch genau das hat er erreicht. So entschlossene Töne wie jetzt hat man von der westlichen Militärallianz seit Jahren nicht mehr vernommen. Nun folgen den markigen Worten auch militärische Taten.

Dänische Kampfjets auf dem Militärflugplatz Amari in Estland: Sie übernehmen dort im Namen der Nato Luftpolizeiaufgaben für das Land, das selber gar keine Luftwaffe besitzt. Sollten sich russische Flugzeuge hierher verirren, werde man ihnen unmissverständlich zeigen, dass sie zur falschen Zeit am falschen Ort seien, sagt ein dänischer Militärpilot.

Auch in Litauen freut man sich über die stärkere Präsenz von Bündnistruppen. Präsidentin Dalia Grybauskaite hiess eben Soldaten der 173. Luftlandebrigade aus den USA willkommen. Sie sieht bereits den Beginn eines neuen Kalten Krieges.

Schärfere Sanktionen gefordert

Und Polens Aussenminister Radoslaw Sikorski spricht von einer Stunde der Wahrheit: «Will man es zulassen, dass ein Land, Russland, Europas Grenzen mit militärischer Macht neu zieht?».

Die Balten, die Polen, aber auch manche Skandinavier fürchten sich vor Moskaus neuer Aggressivität. Sie fordern schärfere Sanktionen. Und sie sind dankbar für die klaren Worte von der Nato-Spitze. Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen versichert den osteuropäischen Bündnispartnern, dass die ganze Nato hinter ihnen stehe. Russlands Taten in der Ukraine seien für das mächtigste Militärbündnis der Welt ein Alarmruf.

Und der Nato-Oberkommandierende, der US-General Philip Breedlove macht klar, dass zwar alle Vorkehrungen der Nato rein defensiv seien. Aber sie sollen Präsident Wladimir Putin unmissverständlich zeigen, wo die «rote Linie» verlaufe.

Eine Destabilisierung Osteuropas, Übergriffe gegen Nato-Mitglieder, würde keinesfalls hingenommen. So offenkundig die Allianz in Nicht-Mitgliedländern, in der Ukraine, im Kaukasus oder in Moldawien militärisch nicht aktiv werden will, so entschieden will sie ihre Mitglieder verteidigen.

«Wir werden noch mehr tun»

US-Präsident Barack Obama sagt: «Wir haben Flugzeuge im Gebiet, wir haben unsere Truppen in Polen verstärkt und wir werden noch mehr tun.» Doch trotz der forschen Worte könne von einem massiven Truppenzusammenzug, von einer echten Machtdemonstration der Nato in Osteuropa, keine Rede sein: Es gehe um das eine oder andere zusätzliche Kriegsschiff im Schwarzen Meer und in der Ostsee, ein paar hundert Bündnissoldaten im Terrain im Baltikum und in Polen, einige zusätzliche Kampfflugzeuge. Und ein paar Manöver, die aber schon vorher geplant waren und jetzt einfach etwas grösser inszeniert werden.

Nato-Übungsmanöver: Wichtig, dass Schweiz mitmacht

Eines dieser Manöver findet zurzeit in Deutschland statt und heisst «Jawtex». Mit von der Partie ist auch die Schweiz. Seit Jahren ist sie beim Programm «Partnerschaft für den Frieden» dabei. Allerdings beteiligt sie sich mit relativ bescheidenen Kontingenten: ein paar Beobachter, Helikopter und Messfahrzeuge. «Das hat sie auch genauso schon in früheren Nato-Manövern getan», sagt SRF-Korrespondent Fredy Gsteiger.

Konkret geht es bei diesem Manöver darum, die Kooperation der Waffengattungen zu üben: also das Zusammenspiel zwischen Luftwaffe, Marine und Bodentruppen. Das ist auch für die Schweiz wichtig, sagt Gsteiger. Denn die Schweizer Armee ist klein und mit bescheidenen Mitteln ausgestattet. «Sie muss solche Kooperationen eingehen und in Friedenszeiten üben, um im Ernstfall gewappnet zu sein», ist Gsteiger überzeugt.

Es geht um Glaubwürdigkeit der OSZE als Gesamtes

Dass es ein Problem ist, dass die Schweiz an dieser Nato-Übung teilnimmt, weil die Schweiz dieses Jahr die OSZE präsidiert, glaubt Gsteiger nicht. «Entscheidend ist, welchen Beitrag der OSZE zur Lösung der Ukraine-Krise leistet ist letztlich wie glaubwürdig die Organisation als gesamtes ist. Die Schweiz kann da eine Rolle spielen und das tut sie auch. Aber es kommt nicht darauf an, welches Land jetzt gerade den Vorsitz in der OSZE hat.»

Einer für alle, alle für einen

All die von Obama genannten Manöver sowie die von langer Hand geplanten Manöver in Deutschland scheinen trotzdem eine Wirkung zu haben: Putin lässt keine Absicht für Übergriffe auf Nato-Territorium erkennen. Und die Osteuropäer scheinen im Moment zufrieden mit den militärischen Solidaritätsbekundungen.

Pal Dunay vom Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik erklärt Russland sei zurzeit ausserstande, Nato-Länder herauszufordern. Zumindest solange das Bündnis glaubwürdig signalisiere, dass die Bündnistreue nach Artikel fünf der Nato-Charta felsenfest gelte. Also: Einer für alle, alle für einen.

Die Nato habe alles Interesse, dass daran keinerlei Zweifel aufkämen. Im Grunde konnte der Allianz nichts Besseres passieren: Nämlich dass ihre alte Aufgabe, die Mitglieder zu schützen, plötzlich wieder zu ihrer neuen, unumstrittenen Aufgabe wird.

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