Das eiserne Tor steht ausnahmsweise weit offen. Zwei Frauen in bunter Nationaltracht weisen, wortlos lächelnd, in den begrünten Hof. Keine Ausweis-, keine Sicherheitskontrolle. Nicht in der Botschaftsvilla, sondern im modernen Schuhschachtelbau daneben, findet die Medienkonferenz statt. Es ist die erste seit vielen Jahren. Eingeladen sind die «lieben Uno-Korrespondenten».
Der Saal, wo die Medienkonferenz stattfindet, wirkt skurril. Verdunkelte Fenster, Pültchen wie in einer Schule, an den Wänden Gemälde vom «Grossen Führer» Kim Il-Sung mit strahlenden Kindern und vom «Lieben Führer» Kim Jong-Il im Sonnenuntergang. Dazwischen Fotos von startenden Raketen, exerzierenden Schiffen, paradierenden Panzern.
Medienauftritt mit Seltenheitswert
Pünktlich auf die Minute erscheint, ganz in schwarz, Botschafter So Se Pyong, kahl, freundlich lächelnd. Kameragewitter: Ein Medienauftritt des Spitzendiplomaten aus Pjöngjang hat Seltenheitswert. Als die Fotografen ihn bitten, zu posieren, wimmelt er ab: Sein Gesicht sei unwichtig. Wichtig sei, was er zu sagen habe.
Dann entschuldigt er sich für fehlende technische Installationen. Es sei unüblich, hier Medienkonferenzen abzuhalten. Oder das, was Nordkorea unter einer Medienkonferenz versteht. Es beginnt ein stündiger Monolog des Botschafters.
Im Frühjahr sei es in Korea um ein Haar zum Krieg gekommen. Weil die USA sein Land nuklear bedroht hätten, während der Grossmanöver mit Südkorea. Er spricht gar von einem atomaren «Showdown» zwischen den USA und Nordkorea. Seither habe sich die Lage zwar etwas beruhigt. Seine Regierung sei, kündigt er an, zur Wiederaufnahme der Sechsparteiengespräche bereit. Oder zu jeder andern Formen des Dialogs.
Allerdings: unter Bedingungen. Führten die USA im August tatsächlich gemeinsam mit Südkorea neuerliche Kriegsspiele durch, wie er sie nennt, dann drohe ganz akut ein Krieg.
Die USA missbrauchten Südkorea, sagt Botschafter So, für ihre miltiärische Expansionsstrategie in Ostasien. Sie würden letztlich, behauptet er, die südkoreanischen Brüder als Kanonenfutter opfern.
Nordkorea hingegen wolle Frieden: nicht bloss einen Waffenstillstand, sondern ein echtes Friedensabkommen mit Amerika. Warum wohl die USA auf dieses Angebot nicht einstiegen, fragt er rhetorisch. Nun, das gebe er den Journalisten als Hausaufgabe mit.
Kanonen wichtiger als Kartoffeln
Seine mäandrierende Rede gelangt dann zur Entwicklung seines Landes. Zunächst und wider jede Realität beteuert er, Nordkorea baue in gleichen Masse seine Wirtschaft und seine Armee auf. Macht aber schon im nächsten Satz klar: Kanonen sind Pjöngjang wichtiger als Kartoffeln. Souveränität sei Alles.
Dank enormer Rüstungsanstrengungen fühlten sich die Nordkoreaner inzwischen sicher. Undenkbar, dass Washington heute seine Heimat angreife – das Risiko wäre viel zu hoch. Um das zu erreichen, seien Atomwaffen unverzichtbar. Man werde die unter Entbehrungen gebauten Atombomben einzig aufgeben, wenn die USA ihren Kurs gegenüber Nordkorea radikal änderten und Sicherheitsgarantien abgäben.
Kaum Zeit für Fragen
Am Ende tut Botschafter So Se Pyong ein bisschen zerknirscht: Er habe leider lang sprechen müssen, habe deshalb bloss noch Zeit für genau fünf Fragen.
Jene nach den Sanktionen beantwortet er entschieden: Ja, sie schmerzten. Doch fast Zeit seines Lebens, er sei nun 63, versuchten die Amerikaner, seinen Mitbürgern das Leben schwer zu machen. Trotzdem habe man einen grossartigen sozialistischen Staat aufgebaut.
Der Frage, ob nicht auch China von Pjöngjang den Verzicht auf Atombomben fordere, weicht er aus. Ob ein neuer Atomtest bevorstehe, das sagt er nicht. Und jene nach den Menschenrechten wischt er ruppig beseite: Hier sei nicht der Ort, darüber zu reden. Besinnt sich dann aber darauf, dass er ja medienfreundlich auftreten wollte. Es würde einfach zu lange dauern, darüber zu reden. Das tue man ein andermal.
Verspricht er damit eine weitere Medienkonferenz? Vielleicht im nächsten Jahrzehnt...