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International Obama droht mit Luftschlag im Irak

Die angespannte Lage ruft jetzt auch Washington und Teheran auf den Plan. Während US-Präsident Obama einen Militärschlag nicht ausschliesst, schickt Iran Revolutionsgarden ins Nachbarland – als Unterstützung für die schiitische Regierung. Die UNO sieht noch keine unmittelbare Gefahr für Bagdad.

Die USA ziehen mehrere hundert Amerikaner aus einem irakischen Luftwaffenstützpunkt nördlich von Bagdad vorübergehend ab. Das berichtete der Sender «Fox News» unter Berufung auf namentlich nicht genannte Regierungsbeamte. Die Amerikaner hätten in dem sunnitischen Gebiet irakische Sicherheitskräfte im Einsatz von Kampfjets und Überwachungsdrohnen trainiert.

Obama trifft Sicherheitsberater

US-Aussenamtssprecherin Jen Psaki bestätigte lediglich, dass US-Bürger wegen «Sicherheitsbedenken in der Gegend» den Ort wechseln würden. Es handle sich um Auftragnehmer der irakischen Regierung, die im Rahmen des Programms zu Militärverkäufen ans Ausland (FMS) im Irak seien. Die Besetzung der US-Botschaft und Konsulate habe sich nicht verändert, teilte Psaki mit.

Angesichts des schnellen Vormarschs sunnitischer Extremisten und der sich zuspitzenden Lage im Irak traf sich US-Präsident Barack Obama mit seinem Team für nationale Sicherheit, um über die Situation zu beraten. Das teilte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Caitlin Hayden, mit.

Keine US-Bodentruppen

Obama behält sich eine militärische Reaktion vor. «Ich schliesse nichts aus», sagte er auf die Frage von Journalisten nach möglichen Luftschlägen. Ein Einsatz von Bodentruppen komme allerdings nicht in Frage, erklärte das Präsidialamt. Obama sicherte der Regierung in Bagdad Hilfe zu und betonte, Islamisten dürften weder im Irak noch in Syrien dauerhaft Rückhalt gewinnen.

Der Einsatz bewaffneter Drohnen wäre ein bedeutender Kurswechsel Washingtons. Die Nato rechnet trotz der Nähe der Kämpfe zum Mitgliedstaat Türkei aber nicht mit dem Bündnisfall.

Rüstungsmitarbeiter evakuiert

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Ein Sprecher des Rüstungskonzerns Lockheed Martin sagte, 25 Mitarbeiter würden wegen der Dschihadisten-Offensive aus der Balad-Region im Norden des Irak abgezogen. Sie hätten dort die Lieferung von 36 F-16-Kampfflugzeugen vorbereitet, die in diesem Jahr in den Irak gebracht werden sollen.

Iran schickt Revolutionsgarden

Teheran schickte unterdessen Revolutionsgarden in den benachbarten Irak, um die Dschihad-Verbände der Isis zurückzudrängen, die grosse Teile im Norden und Westen des Iraks erobert haben.

Mindestens drei Bataillone der Al-Quds-Brigaden, die Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarden, wurden zur Unterstützung geschickt, berichtete das «Wall Street Journal» unter Berufung auf iranische Sicherheitskreise.

UNO-Delegation: Bagdad gut geschützt

Wenige Tage nach dem Start ihrer Offensive sind die Dschihadisten im Irak offenbar bis kurz vor Bagdad vorgerückt. Doch der Chef der UNO-Delegation im Irak sieht noch keine unmittelbare Gefahr für die irakische Hauptstadt. Delegationsführer Nickolay Mladenov habe bei einer Video-Konferenz mit dem UNO-Sicherheitsrat erklärt, dass Bagdad gut geschützt und unter Kontrolle der Regierung sei, sagte der russische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Witali Tschurkin. Bagdad sei daher derzeit nicht in Gefahr. Allerdings sei der UNO-Gesandte sehr besorgt darüber, wie sich die Gewalt vom Norden des Landes ausbreite.

Der UNO-Sicherheitsrat habe der irakischen Regierung und dem irakischen Volk einstimmig seine Unterstützung im Kampf gegen den Terrorismus zugesichert, sagte der Vertreter Russlands, das derzeit den Vorsitz im Sicherheitsrat innehat.

Nach offiziellen Angaben vom Donnerstag hatten die Islamisten zwei Bezirke in der Provinz Dijala nordöstlich Bagdads unter ihre Kontrolle gebracht. Die Kämpfer der radikalsunnitischen Organisation Islamischer Staat im Irak und in der Levante (Isis) besetzten zunächst die Stadt Dhuluijah nördlich von Bagdad, wie offiziell angegeben wurde. Bei ihrem Vormarsch umgingen sie Samarra, nachdem sie tags zuvor mit dem Versuch gescheitert waren, auch diese Stadt zu erobern.

Dutzende Menschen getötet

Am späten Donnerstag gab Isis an, bei Angriffen in Bagdad seit Mittwoch dutzende Menschen getötet zu haben. Seit Montag haben die Islamisten die nördliche Millionenstadt Mossul und dann die gesamte Provinz Ninive sowie weitere Städte und Regionen erobert.

Tikrit, die Geburtsstadt von Ex-Diktator Saddam Husseins, wurde vom Militär aus der Luft angegriffen. Um einen Isil-Sturm auf Kirkuk in der Kurdenregion abzuwehren, übernahmen örtliche Kräfte die Kontrolle über die für den Ölhandel wichtige Stadt. Der Ölpreis stieg. Westlich von Kirkuk wurde ein irakischer Journalist getötet.

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Reaktionen von Lawrow und Ban Ki Moon

Im Jahr 2011 waren die letzten US-Truppen aus dem Irak abgezogen worden. Russlands Aussenminister Sergej Lawrow nannte den Isis-Vormarsch einen Beleg für das Scheitern der US-geführten Irak-Invasion vor elf Jahren und sprach von einem «vollkommenen Misserfolg des Abenteuers».

In New York zeigte sich UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon alarmiert, dass die Extremisten im Irak «den Weg zur Demokratie zunichte machen» könnten. Der UNO-Sicherheitsrat verurteilte nach einer zweistündigen Dringlichkeitssitzung die «Terrorakte» im Irak und rief zu einem nationalen Dialog auf. Der irakischen Regierung sagte das Gremium seine Unterstützung zu.

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