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Zwei Männer in Unterhosen schiessen mit Maschinenpistolen am Strand um sich.
Legende: Szene aus dem Film «Gomorra» nach dem Buch von Roberto Saviano, welches dem Ort Casal di Principe gewidmet ist. Keystone

International Ohrfeige ins Gesicht der Camorra

Das kleine Städchen Casal di Principe vor den Toren Neapels steht wie kein anderes für Ausbeutung, Mafia und Illegalität. Nun ist ausgerechnet dort ein Kandidat zum Bürgermeister gewählt worden, der seit Jahrzehnten gegen die Camorra kämpft.

«Ich habe mein Leben lang für das Recht gekämpft. Ich werde auch jetzt niemandem einen Gefallen tun, wenn es gegen das Recht ist», ruft der frischgebackene Bürgermeister Roberto Natale der Menge zu.

Für unsere Ohren in Nordeuropa klingt das banal. In Casal di Principe – der Anti-Mafia-Autor Roberto Saviano hat dem Städtchen sein erstes Buch «Gomorra» gewidmet – heisst das aber: Ich gehorche der neapolitanischen Mafia Camorra nicht.

Mässiger Erfolg für Renzi

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Bei den Bürgermeister-Stichwahlen in Italien hat die regierende Demokratische Partei von Premier Renzi nicht ganz so gut abgeschnitten wie erwartet. Zwar konnte sie die Mitte-Rechts-Allianz um Ex-Premier Berlusconi in Städten wie Pavia, Pescara oder Cremona besiegen, musste aber in Perugia, Padua oder Potenza Niederlagen hinnehmen.

Von der Camorra verseuchter Ort

Das zu sagen braucht Mut. Denn Casal di Principe ist fest in der Hand des Casalesi-Clans, einem der mächtigsten Zweige der Camorra. In den vergangenen Jahren wurden schon drei Bürgermeister vom italienischen Innenministerium aus ihrem Amt entfernt, weil sie taten, was die Mafia wollte. Meist ging es um das Zuschanzen von öffentlichen Aufträgen an Unternehmen, die den Casalesis gehörten.

Dass Roberto Natale, der 65jährige Arzt und seit langem Aushängeschild der katholischen Anti-Mafia-Bewegung Libera, klar gewählt wurde, überrascht viele. Denn normalerweise gewinnt kaum je ein Kandidat, der gegen den örtlichen Mafia-Clan Politik machen will.

Offenbar kein Geld fürs Schmieren

Die Camorra entscheidet, wer gewählt wird. Sie tut das, indem sie die Stimmen für den ihr genehmen Kandidaten kauft. In Süditalien, wo die Identifizierung mit dem Staat tief und die Armut gross ist, sind die Leute noch so schnell bereit, ihre Stimme für 20 oder 30 Euro an den Meistbietenden zu verkaufen. Das ist meist der Mafiakandidat.

Bürgermeister Natale verfügt nicht über die Geldmittel, um Stimmenkauf zu betreiben. Beobachter glauben viel eher, dass den Casalesis für einen kleinen Moment die Kontrolle über die Stadt entglitten ist.

In den vergangenen Jahren ist es den Fahndern nämlich gelungen, etliche Casalesi hinter Gitter zu bringen. Vor wenigen Wochen gar stellte sich Antonio Iovine den Behörden – als Pentito (reuiger Mafioso). Er gilt als Financier des Clans. Gut möglich, dass dies die Casalesi vorübergehend geschwächt und Natale an die Spitze der Stadtregierung gespült hat.

Schwere Aufgabe für Natale

Viel zu lachen wird er aber nicht haben, auch wenn die Bevölkerung seinen Wahlsieg mit Feuerwerken feierte. Vor 20 Jahren, auch damals war der Clan vorübergehend geschwächt, war Natale schon einmal Bürgermeister geworden.

Nach wenigen Monaten musste er aber den Hut nehmen. Seine Koalitionspartner liessen ihn sitzen. Selbst engste Vertraute wandten sich plötzlich von ihm ab. Später fanden die Ermittler heraus, dass der Casalesi-Clan die Mitarbeiter und Koalitionäre von Natale mit Erpressung zum Verrat zwangen. Das alles weiss auch Natale.

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