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International Paris und Washington: Eine komplizierte Beziehung

Monticello, so heisst der Landsitz des dritten Präsidenten der Vereinigten Staaten. Thomas Jefferson liess ihn im 18. Jahrhundert errichten. Monticello ist auch der Ort, wohin Präsident Obama gestern seinen Staatsgast Präsident François Hollande zuerst führte.

Ein Auftakt mit Symbolik: Multitalent Jefferson war US-Botschafter in Paris, als die Bastille gestürmt wurde. Und Obama wollte mit der Besichtigung von Monticello die Beständigkeit der französisch-amerikanischen Freundschaft herausstreichen.

Die USA, pflegen Diplomaten zu sagen, unterhalten mit den Briten eine spezielle Beziehung, mit den Deutschen eine freundschaftliche und mit den Franzosen die älteste.

Harvey Feigenbaum, Professor für Politikwissenschaften an der George Washington Universität, amüsiert sich darüber. Das sei ein zweifelhaftes Kompliment, meint er. «Eine alte Beziehung muss ja nicht auch eine gute Beziehung sein.»

Optimistische Beziehungen

Doch im Moment, meint der perfekt zweisprachige Amerikaner, liege in der Tat für einmal beides vor. Die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Frankreich seien noch nie so gut gewesen wie jetzt.

Piotr Kosicki, Geschichtsprofessor an der Universität von Maryland, zeichnet ebenfalls ein optimistisches Bild: Nicht immer sei alles im Butter gewesen. Doch seit dem bitteren Zerwürfnis der beiden Länder über den letzten Irakkrieg sei viel geschehen.

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Der erste Staatsbesuch eines französischen Präsidenten seit 18 Jahren – das ist eine ideale Gelegenheit für eine Standortbestimmung. Oder wie es Kosicki fomuliert: Das Potenzial für eine noch engere Zusammenarbeit sei da, aber seit Hollandes Amtsantritt habe es durchaus einige kritische Momente gegeben.

Paris würde in Syrien einen Schritt weiter gehen

In der Tat: Hollande vertrat beispielsweise bei den Atom-Verhandlungen mit dem Iran eine härtere Position als Obama, Hollande willigte nur widerwillig zu Gesprächen über ein Freihandelsabkommen EU-USA ein. Hollande ärgert sich über globale Konzerne wie Google und Apple, die Steuerschlupflöcher ausnutzen, und er nervt sich über die Spionage-Aktiviäten der NSA.

In der Syrien-Krise war Frankreich bereit, mit den Amerikanern militärisch loszuschlagen – bis Obama seine Meinung abrupt änderte und den einzigen Allianzpartner kurzerhand im Regen stehen liess. Letzteres kann in Frankreich kaum gut angekommen sein. Hollande erklärte in einem Interview, die angedrohten Militärschläge seien ein Erfolg gewesen, weil sie schliesslich zur Vernichtung des syrischen Giftgas-Arsenals führen würden.

Für Frankreichkenner Piotr Kosicki eine sehr diplomatische Äusserung. Hollande und Obama könnten mit dieser Interpretation das Gesicht wahren. Friktionen gibt es also. Doch Hollande und Obama betonen lieber die Gemeinsamkeiten.

Beziehungen mangels Besserem

In einem gemeinsam verfassten Zeitungsartikel unterstreichen die beiden die Zusammenarbeit in Afrika und bei der Terrorbekämpfung und bei Massnahmen gegen den Klimawandel. Vor allem aber wollen die USA ihre Zusammenarbeit mit der Europäischen Union vertiefen.

Denn trotz stärkerer Ausrichtung nach Asien bleibt Europa wichtig. Frankreich als Partner sei da im Moment zentral, erklärt der Politologe Harvey Feigenbaum von der George Washington Universität. «Die Briten haben zu wenig Einfluss in der EU, die Deutschen sind wegen des NSA-Skandals verärgert und verfolgen eine Sparpolitik, die der Obama-Regierung zu weit geht. Da bleiben die Franzosen als Partner übrig.»

Faute de mieux – in Ermangelung einer besseren Alternative. Nicht schmeichelhaft zwar. Aber jede Politik ist immer Interessenspolitik. Egal, wie alt oder wie gut die bilateralen Beziehungen auch sein mögen.

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