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International Pionierarbeit mit Tücken: Deutschland ringt um die Energiewende

Deutschland gilt als Vorreiter in Sachen Energiewende. Die Ziele der «Klimakanzlerin» Merkel sind ambitioniert: Bis 2022 gehen alle AKW vom Netz. Langfristig will sich das Land mit erneuerbaren Energien versorgen und den CO2-Ausstoss massiv verringern. Doch der Plan gerät zunehmend ins Stocken.

Seit 2011 hat die deutsche Regierung acht Kernkraftwerke stillgelegt. Aktuell sind noch neun in Betrieb, welche 2022 plangemäss vom Netz gehen werden. Damit ist Deutschland auf Kurs.

Problematisch wird es hingegen beim zweiten Ziel, der Versorgung des Landes durch erneuerbare Energien. Zwar sind in den letzten Jahren hunderte neue Wind- und Solarparks entstanden. Aber diese allein reichen nicht, um das Land vollständig mit Energie zu versorgen.

Deshalb produzieren die 130 deutschen Braun- und Steinkohlewerke so viel Energie wie noch nie. Alte Werke werden weiter ausgebaut, neue sind bereits in Planung.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sagt denn auch, ein Ausstieg aus der Kohle sei im Moment nicht realistisch: «Diejenigen, die von uns fordern, zeitgleich mit dem Atomausstieg auch aus der Kohle auszusteigen, nehmen wenig Rücksicht auf die Entwicklung der Versorgungssicherheit.»

Atomausstieg oder Klimaziele?

Die Versorgungssicherheit ist das eine. Die Kohleindustrie ist zudem ein wichtiger Wirtschaftszweig. Es geht um zehntausende Arbeitsplätze.

Allerdings führt der hohe CO2-Ausstoss der Kohlekraftwerke auch dazu, dass Deutschland seine hochgesteckten Klimaschutzziele – die Verringerung der CO2-Emissionen um 40 Prozent – bei weitem verfehlen wird.

Sehr zum Missfallen der Umweltorganisationen. Sie werfen der Regierung vor, vor den Gewerkschaften zu kuschen. Aus ihrer Sicht ist der Kohleausstieg unverzichtbar in der Energiewende. Tobias Austrup von Greenpeace Deutschland sagt: «Wenn es nicht gelingt, die CO2-Emissionen zu reduzieren – das heisst, den Kohleausstieg einzuleiten –, dann kann sich Frau Merkel nicht mehr Klimakanzlerin nennen. Und Herr Gabriel ist nichts anderes als ein Kohleminister».

Diejenigen, die von uns fordern, mit dem Atomausstieg auch aus der Kohle auszusteigen, nehmen wenig Rücksicht auf die Versorgungssicherheit.
Autor: Sigmar Gabriel Wirtschaftsminister

Umstrittener Energietransfer zwischen Süd und Nord

Ein weiterer Knackpunkt der Energiewende sind die geplanten Stromtrassen, welche den Strom der Wind- und Solarparks aus dem Norden in den Industrie-starken Süden transportieren sollen. Dazu plant die Regierung zwei gigantische Stromautobahnen quer durchs Land. Dagegen gibt es landesweit Bürgerproteste, welche die Umsetzung des Regierungsplans vorläufig blockieren.

Widerstand und Verstoss gegen Klimaschutzvereinbarungen: War Deutschland zu ambitioniert mit seiner schnellen Energiewende? Claudia Kemfert ist Professorin für Energieökonomie und berät die deutsche Regierung in Energiefragen. Sie sagt: «Deutschland liegt gut im Zeitplan. 2022 geht die Atomenergie vom Netz, andererseits werden erneuerbare Energien weiter ausgebaut.»Aber auch Kemfert räumt ein, dass es damit nicht getan ist: «Die Ziele sind sehr viel umfassender. Deswegen ist ein langer Atem gefragt.»

2022 ist der Atomausstieg geschafft, aber mit starken Nebenwirkungen. Diese zu lindern und langfristig zu beseitigen ist die nächste grosse Herausforderung für die deutsche Regierung in Sachen Energiewende.

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