Zum Schlafen haben die isländischen Piraten derzeit wenig Zeit. In der letzten Nacht feierten die Parteianhänger den Abschluss des Wahlkampfs im Lokal «Gaukurinn» in der Innenstadt von Reykjavik. Gemäss den letzten Umfragen kann die Partei mit einer Mehrheit unter den 18- bis 29-jährigen Isländerinnen und Isländern rechnen – und damit, insgesamt die neue Nummer zwei oder gar Nummer eins im Land werden.
Das wichtigste Anliegen der jungen Partei, die im Nachgang zur Finanzkrise vor vier Jahren erstmals mit drei Sitzen den Sprung ins Parlament geschafft hat, ist eine neue Verfassung für Island, wie die die 29-jährige Spitzenkandidatin Thorhildur Sunna Ävarsdottir sagt. «Die direkte Demokratie ist uns sehr wichtig.» Die Piratenpartei fordert die Einführung der Volksinitiative und des Gesetzesreferendums. Damit will sie dazu beitragen, dass die gut 250'000 isländischen Stimmbürgerinnen und Stimmbürger künftig auch zwischen den Wahlen mehr mitreden können.
Skepsis bei den Älteren
Damit fordern die Piraten die bürgerliche Koalition von Konservativen und Liberalen heraus, die Island in den letzten 70 Jahren mit wenigen Unterbrüchen regiert haben und sich bisher stets gegen grundlegende Reformen der starken Parteienherrschaft ausgesprochen haben. Die beiden Parteien, die bisher über eine Mehrheit der Sitze im Allthingi, dem isländischen Parlament verfügt haben, stehen vor einer empfindlichen Schlappe in der Wahl vom Samstag – obwohl es Island heute wirtschaftlich wieder viel besser geht.
So populär die Piratenpartei bei der jungen Generation ist, so skeptisch stehen ihr viele ältere Isländer gegenüber, nicht zuletzt deshalb, weil sich die Piraten nicht in ein Links-Rechts-Schema einordnen lassen wollen. Neben den Piraten haben sieben weitere Parteien gute Chancen, ins neue Parlament gewählt zu werden. Die Regierungsbildung auf der Insel zwischen Europa und Amerika dürfte damit schwierig werden.