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International Pollard – ein amerikanisches Bauernopfer?

In Israel ist die Nachricht der Freilassung von Jonathan Pollard mit Genugtuung aufgenommen worden. Allzu grosse Freude ist aber nicht aufgekommen. Man geht davon aus, dass die Freilassung des Spions nicht umsonst ist: Israel soll nun das Atomabkommen mit dem Iran schlucken. Ein Gespräch.

Shraga Elam

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Der in Israel aufgewachsene Journalist Shraga Elam lebt seit über 30 Jahren in der Schweiz.

SRF News: 1987 wurde Jonathan Pollard in den USA wegen Geheimdienstverletzung verurteilt. Sie haben früher in Israel gelebt. Können Sie sich noch an das Urteil erinnern?

Shraga Elam: Ja, ich war damals 40 Jahre alt. Die Wahrnehmung in Israel war schon damals: Gegenseitig spionieren – das ist unter Geheimdiensten normal. Ich empfand aber das Ausmass des Strafmasses als unfair.

Wie meinen Sie das?

Ähnliche Verrate von Geheimdokumenten gab es schon früher. Aber, dass Pollard so lange im Gefängnis ausharren musste, machte immer weniger Sinn. Zumal die US-Interessen von Pollard nicht dermassen verletzt wurden.

Jonathan Pollard soll nun am 21. November aus dem Gefängnis entlassen werden. Wie hat diese Nachricht Israel erreicht?

Im Radio wurde die Meldung gleich an erster Stelle erwähnt. Das gleiche gilt für das Fernsehen. In den Berichterstattungen wird das Thema aber ziemlich nüchtern abgehandelt. Es wird auf die Hintergründe vom Atomabkommen mit dem Iran hingewiesen. Allgemein ist man hier der Meinung, dass Israel mit der Freilassung von Jonathan Pollard besänftigt werden soll.

Überraschende Haftentlassung

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Eine alte Aufnahme von Jonathan Pollard.
Legende: Reuters

30 Jahren wurde Jonathan Pollard inhaftiert. Nun soll er diesen November frei kommen. Mehr Details dazu hier .

Die US-Behörden haben aber klar gemacht, dass zwischen den beiden Ereignissen kein Zusammenhang besteht.

Das kauft man den US-Behörden nicht ab. Man geht in der israelischen Öffentlichkeit davon aus, dass Barack Obama der israelischen Regierung einige Zugeständnisse geben will, damit Netanjahu die bittere Pille des Atomabkommens schluckt. Der kürzlich erfolgte Besuch des US-Verteidigungsministers in Israel wird ebenfalls damit verknüpft. Bei dem Treffen soll über Waffenlieferungen an Israel verhandelt worden sein. In Israel wird nun vermutet, dass die USA kurzfristig weniger Druck auf die Regierung machen werden, um Verhandlungen mit den Palästinensern voran zu treiben.

Gab es auch kritische Stimmen zur Pollard-Freilassung?

Ja, aber man muss differenzieren. Der bedeutende Kommentator der Zeitung «Ha’aretz», Amir Oren, wies heute darauf hin, dass die orchestrierten Protestkundgebungen schlecht für Israel waren. Die jahrelangen Lobby-Arbeiten um die Freilassung von Pollard hätten zu viel Geschirr zwischen den USA und Israel zerbrochen. Aber dass Pollard nun freikommen wird, das hat hier niemand kritisiert.

Wer waren eigentlich diese Menschen, die sich fast 30 Jahre lang für Pollard eingesetzt haben?

Das ist ein grosses Spektrum von säkularen und religiösen Juden. Von links bis rechts setzen sich die Gruppen zusammen, mehrheitlich aber vom rechten Lager. Bei dem von der Hamas festgehaltenen Soldaten Gilad Shalit konnte man allerdings eine viel grössere Sympathiewelle erkennen. Aber auch dort gab es heftige Kritik.

Weshalb kommt es eigentlich zu solchen Bewegungen, wenn Israelis oder Juden in fremden Gefängnissen sitzen?

Das gehört zum offiziellen Selbstbild des jüdischen Staates, dass man sich mit allen Kräften für die Freilassung seiner Bürger oder Glaubensbrüder einsetzt. Bei Gilad Shalit kommt noch etwas hinzu: Die israelischen Soldaten sollen ihren Militärdienst mit der Überzeugung verrichten, dass der Staat alles unternehmen wird, sollte es zu einer feindlichen Gefangenschaft kommen. Natürlich ist das in vielen Fällen ein Trugbild, das nicht ganz mit der Realität einhergeht.

Das Gespräch führte Beni Frenkel

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