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International «Putin spielte in Syrien ein Powerplay um Anerkennung»

Ziel erreicht: Mit der militärischen Unterstützung des Assad-Regimes wollte Russland wieder zu einer Schlüsselgrösse auf der diplomatischen Weltbühne werden. Der Truppen-Teilabzug zum jetzigen Zeitpunkt sei ein kluger Schachzug von Präsident Putin, sagt SRF-Auslandkorrespondent Fredy Gsteiger.

Fredy Gsteiger

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Portrait von Fredy Gsteiger

Der diplomatische Korrespondent ist stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St.Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» und Chefredaktor der «Weltwoche».

SRF News: Was ändert sich in Syrien mit dem Teilabzug der russischen Truppen?

Fredy Gsteiger: Zunächst wird das Kräfteverhältnis militärisch betrachtet etwas ausgeglichener. Der markante Vormarsch der Assad-Truppen in den vergangenen Monaten wird langsamer oder sogar gestoppt werden. Das hängt allerdings auch sehr davon ab, was Iran und die Hisbollah nun tun. Sie sind für den syrischen Machthaber Baschar al-Assad die wichtigere Unterstützung als Russland. Zudem kriegen die Rebellen mit dem Teilabzug wieder etwas mehr Luft. Der Druck durch das russische Bombardement nimmt ab. Im Kampf gegen die Dschihadisten schliesslich, wird sich wenig ändern. Denn da hat Russland, anders als behauptet, nie eine wirklich dominierende Rolle gespielt.

Ist zu erwarten, dass die Rebellen nun wieder an Stärke gewinnen?

Vermutlich nicht. Denn die Rebellen, abgesehen von den Kurden, sind sehr schwach und äusserst zersplittert. Es ist daher wenig wahrscheinlich, dass sie nun zur dominierenden Kraft in Syrien aufschwingen. Sie können aber weiter und möglicherweise über lange Zeit Nadelstiche gegen Assads Armee verüben und ihm so das Leben schwer machen. Die Kraft der Rebellen hängt aber letztlich davon ab, ob sie künftig vom Westen und den Golfstaaten mehr militärische Unterstützung erhalten. Ich denke dabei zum Beispiel an Fliegerabwehr gegen Assads Flugzeuge, mit denen er Fassbomben abwirft. Das ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich, das Misstrauen in den USA und in den Golfstaaten gegenüber den Rebellen ist gross.

Es ist ein Signal an Assad, dass Russland nicht bereit ist, immer tiefer in den syrischen Konflikt hineingezogen zu werden.

Russlands Präsident Wladimir Putin sprach von einem Teilabzug seiner Truppen. Doch was will er wirklich?

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Das ist noch unklar. Der Kreml hat weder Zahlen noch eine zeitliche Frist genannt. Sicher ist, dass die Marinebasis und die neue Militärbasis, die Russland in Syrien gebaut hat, bleiben werden. Möchte Putin wieder mehr militärisch eingreifen, könnte er das rasch tun. Ganz entscheidend schliesslich ist, dass Russland vermutlich seine Fliegerabwehr in Syrien lassen wird. Damit hindert Moskau die Amerikaner und andere daran, den Luftraum über Syrien nach Belieben zu kontrollieren.

Also hat Putin einen strategisch klugen Schachzug gemacht?

Moskau wird die Friedensverhandlungen in Genf nun massgeblich mitbestimmen können.

Ja, das war ein geschickter Schachzug. Putin behält sich so sehr viel Flexibilität. Zugleich riskiert er nicht, mit immer mehr Waffen, Truppen und Opfern das Assad-Regime über Jahre unterstützen zu müssen, damit es an der Macht bleiben kann.

Assad konnte bisher auf Putins Hilfe zählen. Wie muss er den russischen Teilabzug deuten?

Als Signal, dass Russland nicht bereit ist, immer tiefer in den syrischen Konflikt hineingezogen zu werden. Da spielt vermutlich die Erfahrung der 1980er Jahre eine grosse Rolle, als Russland in Afghanistan sehr viel investiert und letztlich nichts erreicht hat. Aus diesem Grund fuhr Putin nun die Strategie «schnell rein und schnell wieder raus».

Bedeutet der Teilabzug der russischen Truppen für Assad nun der Anfang vom Ende?

Nicht unbedingt, denn Assad ist gestärkt. Dennoch wird es ihm nicht gelingen, wieder das ganze Land zu kontrollieren. Der Druck auf ihn, im laufenden Friedensprozess Kompromisse einzugehen, steigt. Vielleicht war das auch das Ziel des Engagements Russlands in Syrien: Moskau will wieder zu einer Schlüsselgrösse auf der diplomatischen Weltbühne werden und spielte in Syrien ein Powerplay um Anerkennung. Mit Erfolg: Das Land ist nun zusammen mit den USA Schirmherr über die Friedensverhandlungen in Genf und wird den Ausgang dieser Gespräche massgeblich mitbestimmen können.

Das Gespräch führte Simon Leu.

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