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International Regenschirme und Schlagstöcke: Hongkong dreht sich im Kreis

Nichts bewegt sich in Hongkong. Die Regierung zeigt kein Entgegenkommen. Die Demonstranten werden immer ungeduldiger, Radikale drängen auf Konfrontation. Ihnen gegenüber steht ein gewaltbereiter Polizeiapparat. Kameramann Nathan Mauger hat sich zwischen die verhärteten Fronten gewagt.

«Wir sind alle Bürger Hongkongs!», schreit ein aufgebrachter Demonstrant zu einem Polizisten in Vollmontur. Dieser reagiert stoisch, drückt den jungen Mann zurück. Die Bilder von der Nacht auf Sonntag, die SRF-Kameramann Nathan Mauger aus der havarierten Finanzmetropole übermittelt, verdeutlichen, wie festgefahren der Konflikt inzwischen ist.

Über das gesamte Wochenende hielten die zum Teil gewaltsamen Zusammenstösse zwischen Staatsmacht und der Demokratie-Bewegung an. Die Polizei ging mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen Demonstranten vor, es gab zwei Dutzend Festnahmen. Am Montag hielten sich Polizisten und Aktivisten zunächst zurück.

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Legende: SRF

Nathan Mauger erfüllt seit 2007 als Kameramann Aufträge von SRF in China. Der 37-jährige US-Amerikaner drehte zuvor Dokumentationen für National Geographic, BBC, CNN und andere.

Die Gewaltspirale dreht sich munter weiter

Das zweifelhafte Resultat der neuesten Zusammenstösse: Die Polizei machte in den Strassen des Geschäftsviertels Mong Kok 20 Meter «Gebietsgewinne» – dafür sind die Fronten verhärteter denn je. Klar ist: Auf beiden Seiten wächst die Gewaltbereitschaft. Diese droht angesichts der Tatenlosigkeit der Regierung zusehends zum Selbstzweck zu werden.

Die Bilder des amerikanischen Kameramanns dokumentieren, wie spannungsgeladen die Atmosphäre zwischen den Lagern ist. Wüste Beschimpfungen wechseln sich ab mit ertraglosen Vermittlungsversuchen. Dann wieder prallen die Lager aufeinander, einige der Polizisten verhüllen ihre Dienstnummer, prügeln auf unbewaffnete Demonstranten ein.

Derweil erproben die Aktivisten neue Verteidigungstaktiken, die Szenerie gleicht immer mehr einem Schlachtfeld. Auch, weil die Protestführer zunehmend Probleme haben, die prodemokratische Bewegung unter Kontrolle zu halten. So werden Aufrufe zum Gewaltverzicht immer öfter von radikaleren Teilnehmern unterlaufen.

Gegenseitige Vorwürfe

Auch rhetorisch verhärten sich die Fronten. Nach den schweren Zusammenstössen hat die Polizei den Demonstranten wachsende Radikalisierung vorgeworfen: «Sie agieren immer gewaltsamer», kritisierte sie in einer Mitteilung, man verurteile die «extrem unverantwortlichen und gefährlichen Handlungen der Demonstranten».

Auch von der Regierung, die bislang keine echten Zugeständnisse an die Protestierenden gemacht hat, sind wenig selbstkritische Töne zu vernehmen. Ganz im Gegenteil: Sie glaubt, die Aufstände seien vom Ausland orchestriert: «Ausländische Kräfte mischen sich ein», sagte Regierungschef Leung Chun-ying. «Es ist keine reine inländische Bewegung, und sie gerät ausser Kontrolle.»

Forderungen der Aktivisten verlaufen im Sand

Die Aktivisten weisen die Vorwürfe vehement zurück. Sie seien unverantwortlich, mahnt Alex Chow, eines der Gesichter der «Regenschirm-Revolution»: «Der Regierungschef hat keine Beweise vorgebracht, um seine Theorie von ausländischen Kräften zu belegen.» Der Versuch diene lediglich dazu, die Bewegung zu diskreditieren.

Die Proteste in Hongkong dauern seit drei Wochen an. Die kommunistische Führung in Peking will zwar 2017 erstmals direkte Wahlen in der früheren britischen Kronkolonie zulassen. Sie verweigert aber eine freie Nominierung der Kandidaten. Die jüngsten Zusammenstösse überschatten die Aussichten auf einen konstruktiven Dialog zwischen Regierung und Demonstranten.

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