Wer in die spektakuläre Unterwasserwelt der Malediven abtaucht, dringt in einen gedämpften Raum ein. Man hört den regelmässigen eigenen Atem oder wie ein Fisch an einer Koralle knabbert. Doch diese Stille könnte bald gestört werden.
Denn im vergangenen August machte das deutsche Forschungsschiff «Sonne» seismische Voruntersuchungen 100 Seemeilen östlich des Thaa Atolls. Dabei sei das Forschungsteam auf Gestein aus Kohlenwasserstoff gestossen, so der Fischereiminister der Malediven.
Die Regierung will die Malediven in ein Emirat im indischen Ozean verwandeln.
Jetzt will die nationale Ölfirma weitere seismische Untersuchungen und Ölbohrungen durchführen – mit Druckluftkanonen. Diese erzeugen eine Schallwelle, die so laut sei, wie eine startende Rakete, sagt Sigrid Lüber, Präsidentin der Meeresschutzorganisation OceanCare.
Weltweite Kampagne gegen Bohrungen
Ein Desaster für die Tier- und Unterwasserwelt: «Der Lärm ist für die Tiere sehr problematisch», sagt Lüber. Sie könnten in ihrer eigenen Kommunikation gestört werden oder sich Verletzungen an lebenswichtigen Organen zuziehen. «Es ist auch so, dass Tiere abwandern aus Gebieten die laut sind.» Mit einer weltweiten Kampagne will OceanCare die Ölpläne der maledivischen Regierung stoppen.
Tourismus und Fischerei sind mit 90 Prozent die Haupteinnahmequellen des Inselstaates. Einen Fünftel des Bruttoinlandprodukts gibt die Regierung allerdings wieder aus, um aus dem Ausland Öl zu importieren.
Trotzdem versteht der lokale Umweltschützer Ali Rilwan, Direktor von Blue Peace, nicht, wie die Regierung Ölförderung und Tourismus vereinen will: «Die Malediven haben bislang ihre Schönheit, die Korallen und Strände, verkauft. Ein Ölbohrtum passt nicht in dieses Bild und bereitet uns Sorgen. Zudem sprach die frühere Regierung davon, dass wir bis 2020 CO2-neutral sein würden. Die Pläne der jetzigen Regierung stehen dazu im krassen Widerspruch.»
Wachstum und Freihandel im Zentrum
Tatsächlich war unter dem früheren Präsidenten und Umweltschützer Mohamed Nasheed einiges grüner im Inselstaat. In seiner vierjährigen Regierungszeit machte Nasheed in medienwirksamen Unterwassersitzungen darauf aufmerksam, wie stark die Malediven vom Klimawandel betroffen sind. Zudem plante er eine Steuer, um damit umweltfreundliche Projekte zu finanzieren und hatte bereits einen Vertrag mit einer indischen Firma unterschrieben, um das grosse Abfallproblem zu lösen.
Doch dann kam im November 2013 Abdullah Yameen an die Macht. Er strich die Umweltsteuer und auch den Vertrag mit der indischen Firma. Nicht Umwelt, sondern wirtschaftliche Grossprojekte und Freihandelszonen stehen seither im Fokus der neuen Regierung. Die Ölsuche war eines ihrer Wahlversprechen.
Daniel Bosley, Chefredaktor bei der News-Webseite Minivan in Male, ist jedoch weder beunruhigt noch erstaunt. Leere Versprechen seien bei dieser Regierung an der Tagesordnung. «Sie will jetzt die Malediven in ein Emirat im indischen Ozean verwandeln. Letzten Monat hat sie mit den Chinesen gesprochen und auch Indien hat seine Hilfe bei der Ölsuche angeboten. Aber ehrlich: Ich glaube nicht, dass es soweit kommen wird. Das Klima für Investoren ist schlecht und über Öl sprechen wir hier schon seit mehr als dreissig Jahren», sagt er.
Bereits zweimal vergeblich gesucht
Tatsächlich suchte bereits in den 1970er Jahren die französische Firma Elf in der Unterwasserwelt der Malediven nach Öl – und fand nichts. In den 1990er Jahren versuchte es auch Shell vergebens. Auf eine schriftliche Anfrage, was diesmal anders sein soll, hat die staatliche Ölfirma nicht geantwortet.
Auch im staatlichen Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung gibt es bis auf die Stimme des Anrufbeantworters keine Antwort. Der Ölbohrturm vor den malerischen Inseln scheint zumindest in den kommenden Jahren noch keine Gefahr zu sein.