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Eine nachdenkliche Dilma Rousseff.
Legende: Dilma Rousseff ist nicht die erste mit Reformplänen – schon ihr Vorgänger ist damit vor dem Parlament gescheitert. Keystone

International Rousseffs Reformwille wird bereits gebremst

Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff ist mit ihrem Vorstoss gescheitert, eine verfassungsändernde Versammlung einzuberufen. Politiker und Juristen bezweifelten die Rechtmässigkeit eines solchen Referendums. Die Proteste auf der Strasse gehen weiter.

Anstatt sich gegen den Druck von der Strasse zu stellen, sprang sie auf die Protestwelle auf: Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff verkündete aufgrund der Proteste eine Politikreform. Sie wollte eine Volksabstimmung über eine verfassungsändernde Versammlung einberufen. Doch sie hat mit ihrem Vorstoss einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Der Vorstoss droht nun in einer Sackgasse zu enden.

«Wir haben nicht mehr genug Zeit für eine verfassungsändernde Versammlung», sagte der Erziehungsminister Aloizio Mercadante in Brasília. Rousseffs Initiative sei sowohl vom Vizepräsidenten Michel Temer als auch vom Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Henrique Eduardo Alves, abgelehnt worden.

Die Fragen, über die das Volk abstimmen solle, würden von der Präsidentin und den Führern der Regierungs- und Oppositionsparteien gemeinsam ausgearbeitet, sagte Mercadante weiter.

Stattdessen sollten mehrere Einzelfragen zu politischen Reformen dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden, teilte Erziehungsminister Aloizio Mercadante in Brasília mit.

«Weder Hand noch Fuss»

Das Reformpaket

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Rousseffs Reformpläne sehen Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr und im Gesundheits – und Bildungswesen vor. Auch will sie Korruption schärfer bestrafen – ein Hauptanliegen der Protestbewegung. Lesen Sie hier mehr.

Zuvor hatte sich bereits der einflussreiche Anwaltsverein des Landes gegen den Vorstoss ausgesprochen. Justizminister José Eduardo Cardozo hatte signalisiert, dass die Regierung für eine Politikreform nach Alternativen zu einer Verfassungsversammlung suche.

Das Referendum, das Rousseff als Antwort auf die Massenproteste im Land vorgeschlagen hatte, kann nur vom Nationalkongress beschlossen werden. Es gab in den vergangenen Jahren unter Rousseffs Vorgänger Luiz Inácio Lula da Silva schon mehrere Anläufe für eine verfassungsändernde Versammlung, die alle im Kongress scheiterten.

Bei der Opposition formierte sich sofort nach der Ankündigung Widerstand gegen das Projekt. Ex-Präsidentschaftskandidat José Serra sagte, der Vorschlag habe weder Hand noch Fuss. Wenn es zur Verfassungsversammlung kommen sollte, falle die Diskussion möglicherweise ins Wahlkampfjahr 2014, und das wäre nicht ratsam, sagte Serra. Er war Rousseff bei der Präsidentschaftswahl 2010 unterlegen.

Schiesserei in Favela

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Bei Kämpfen zwischen Polizisten und mutmasslichen Mitgliedern von Drogenbanden sind in einer Armensiedlung von Rio de Janeiro mindestens neun Menschen ums Leben gekommen. Nach offiziellen Angaben wurde bei dem Einsatz in der Favela Nova Holanda im Norden Rios auch ein Polizeibeamter erschossen.

Strassenkämpfe dauern an

Die Proteste gingen zuletzt weiter, wenn auch mit verminderter Stärke. In Porto Alegre im Süden des Landes gingen 10‘000 Menschen gegen Korruption und soziale Missstände auf die Strassen.

Randalierer steckten Müllcontainer in Brand. Die Polizei setzte Tränengas ein. Es gab mehrere Verletzte. Mehr als 100 Menschen wurden festgenommen. Auch in Rio kam es zu Protestaktionen. Diese Woche werden erneut Demonstrationen erwartet, unter anderem in Belo Horizonte, wo das erste Halbfinal-Spiel des Confederations Cups zwischen Brasilien und Uruguay stattfindet.

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