Neue Rohrleitungen durch die Ostsee sollen die Kapazität für Gaslieferungen von Russland nach Deutschland verdoppeln – und damit das Konfliktland Ukraine umgehen. Nicht jeder in der EU ist damit einverstanden:
- Donald Tusk kritisiert Ausbau der Ostsee-Pipeline scharf.
- Matteo Renzi: Nur Deutschland und die Niederlande sind für eine Pipeline.
- Angela Merkel: Ukraine soll als Transitland nicht unbedeutend gemacht werden.
Im Streit um den geplanten Ausbau der Ostsee-Gaspipeline von Russland nach Deutschland hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am EU-Gipfel in Brüssel eine deutliche Positionierung der EU gegen das Projekt verhindert. Eine vor allem von ost- und mitteleuropäischen Staaten unterstützte Erklärung zur Energiepolitik wurde nicht wie vorgesehen in das Abschlussdokument aufgenommen.
Merkel sagte, es müssten Lösungen gefunden werden, welche die Ukraine als Transitland nicht völlig unbedeutend machten, das sei der politische Wunsch.
Weiter bezeichnete sie «Nord Stream 2» als privates Projekt. «Ich habe deutlich gemacht, dass es erst einmal ein wirtschaftliches Projekt ist. Es gibt private Investoren für dieses Projekt», sagte Merkel. Es gehe jetzt darum, wie die notwendige rechtliche Grundlage hergestellt werde.
Abhängigkeit von Russland befürchet
«‹Nord Stream 2› würde die Abhängigkeit von Russland erhöhen und 80 Prozent der Lieferungen auf einer Route versammeln», erklärte EU-Gipfelchef Donald Tusk nach Abschluss der Beratungen. Dies laufe den festgeschriebenen Zielen der EU-Energiepolitik zuwider: «Wir müssen europäisches Recht verteidigen.»
Aus seiner Sicht «trägt das nicht zur Diversifizierung [der Energieversorgung] bei», sagte Tusk weiter und verwies auch darauf, dass nach Einschätzung der EU-Kommission der russische Gazprom-Konzern mit «Nord Stream 2» eine dominierende Position im deutschen Markt bekäme.
Kritik der Osteuropäer
Gleich mehrere Regierungschefs hatten am Gipfel das Thema vorgebracht. Bereits am Donnerstag hatte Litauens Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite das Projekt in Frage gestellt. Neben Litauen kritisieren auch zahlreiche andere mittel- und osteuropäische Staaten wie Ungarn und Polen die Pläne. Ihr Hauptargument ist, dass die Gaspipeline die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen nicht verringere, sondern verstärke. Zudem muss etwa die Slowakei mit dem Verlust von Transitgebühren rechnen, weil russisches Gas künftig nicht mehr durch ihr Gebiet sondern über die Ostsee nach Westeuropa gepumpt würde.
Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi schwang sich zum Wortführer der Kritiker auf und erinnerte, das Pipeline-Vorhaben sei vor einem Jahr gestoppt worden. «Auf einmal gab es den Versuch, das Prinzip von ‹Nord Stream 2› in aller Stille zu billigen.» Nach Darstellung von Renzi sehen nur Deutschland und die Niederlande kein Problem in dem Projekt.
Ukraine den Rücken stärken
Im Zuge der Ukraine-Krise hatte die EU vereinbart, ihre Abhängigkeit von russischem Gas deutlich zu verringern. Ausserdem soll der Ukraine der Rücken gestärkt werden, die sich bereits zahlreiche Auseinandersetzungen mit Russland über Gaslieferungen in das osteuropäische Land geliefert hat. Als Folge des Streits zwischen der Ukraine und Russland war zeitweise auch weniger Gas in den EU-Staaten angekommen.