Mit dem Film «Geheimsache Doping: Wie Russland seine Sieger macht» berichtete der deutsche ARD-Journalist Hajo Seppelt über systematisches Doping in Russland. Der nun publizierte Bericht der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) basiert auf den Recherchen des Sportjournalisten.
Der Dopingexperte verortet in der russischen Politiklandschaft die Bedingungen dafür, dass dies in einer solchen Dimension stattfinden konnte: «Weil Russland noch lange nicht die demokratischen Rahmenbedingungen hat, die es in Westeuropa gibt.»
Auch im Westen liege vieles im argen, auch in der Dopingbekämpfung. «Da müssen wir nicht sagen, dass wir die Saubermänner sind», fügt er an. Doch in Russland gebe es noch «ganz starke Bindungen an das, was früher in der Sowjetunion passiert ist», erklärt Seppelt.
Viele, die schon vor 30 Jahren etwas zu sagen hatten in der Leichtathletik, sind heute noch aktiv und bekleiden Posten.
Es gebe eine Dopingkultur, «eine Tradition, die sich über Jahrzehnte hin ausgeprägt hat». Er würde zwar nicht von einem Staatsdoping wie in der DDR oder der Sowjetunion sprechen, sondern eher von einem staatlich tolerierten oder von einem ein Stück weit geförderten Doping. Aber: «Im Gegensatz zu manchen anderen eher westlichen Gesellschaften hat dieser Transformationsprozess des Sports einfach noch nicht stattgefunden.»
Abstreiten trotz eindeutiger Beweise
Das Thema sei in Russland tabuisiert worden. «Wenn man jetzt sieht, wie sie alle reagieren…», setzt Seppelt an. Die Rückweisungen, der Vorwurf der Anschuldigungen – obwohl ja eindeutige Beweise existierten. «Wenn dann gesagt wird, das sei eine Verschwörung des Westens gegen Russland, dann ist das ehrlich gesagt ein Vokabular, das mich ein Stück weit schon an den Kalten Krieg erinnert», meint Seppelt.
Er sei 2013 darauf gekommen, im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Russland zu recherchieren. «Jemand aus einem internationalen Sportverband» sei an ihn herangetreten, erzählt Seppelt. «So kam ich in Kontakt mit diesen beiden Whistleblowern. Ich traf sie dann in Moskau und war sehr beeindruckt.»
Keine Anschuldigungen, sondern Beweise
Die beiden Whistleblower sind Julija Stepanowa und ihr Ehemann Witali Stepanow. Sie ist eine Mittelstreckenläuferin und war selber gedopt. «Sie konnte das ganze System nicht mehr aushalten», erzählt Seppelt. Ihr Mann habe bei der russischen Anti-Doping-Agentur Rusada gearbeitet und habe auch diesen Widerspruch nicht mehr ausgehalten.
«Sie haben mir gesagt, sie möchten nicht irgendwelche Anschuldigungen machen, sondern Beweise vorlegen», so der Investigativjournalist. Er betont: «Wir haben keinen Cent dafür bezahlt.»
Whistleblower leben nun im unbekannten Exil
Die beiden Whistleblower gelten jetzt als Verräter. Seppelt sagt, es sei im vergangenen Jahr die Bedingung der Stepanows gewesen, dass sie aus Russland ausreisen könnten, bevor die Doku ausgestrahlt würde. Das Paar verbrachte ein Jahr in Deutschland und ist nun, vor der Publikation des Berichts, wieder «mit unbekanntem Ziel» aus dem Land ausgereist. «Jetzt ist es besser, wenn sie an einem sicheren Ort sind, wo niemand hinkommt, der ihnen vielleicht nicht nur Gutes will», sagt Seppelt.
Auch für den Journalisten hatten die Recherchen Konsequenzen. Als er für weitere Recherchen abermals nach Russland ging, habe man ihm «bedeutet, dass man genau weiss, welchen Schritt ich wo gehen würde», erzählt Seppelt. Leute, die einem Interview zugesagt hatten, reagierten plötzlich nicht mehr oder sagten ab.
Eine Athletin erzählte uns, man habe ihr bedeutet, sie möge nie wieder mit Journalisten sprechen.
Er selbst sei noch nicht bedroht worden. Aber: «Jetzt hab ich auch noch gehört, dass der Geheimdienst seine Finger im Spiel hat. Im Moment habe ich keine grosse Lust, nach Russland zu fahren.»