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Ein Mann vor dem Logo Yukos
Legende: Die Zerschlagung des Erdölkonzern YUKOS geschah aus politischen Überlegungen, sagt das Gericht. Reuters

International «Russland fühlt sich ungerecht behandelt»

Russland soll den ehemaligen Aktionären des privaten Erdölkonzerns Yukos 50 Milliarden Dollar Schadenersatz zahlen. Doch Russland werde sich wehren, sagt NZZ-Wirtschaftskorrespondent Benjamin Triebe in Moskau.

SRF: Wie hat die russische Regierung das Urteil aufgenommen?

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Benjamin Triebe: Die Resonanz ist eigentlich einhellig: Es heisst, dieses Urteil sei politisch verzerrt. Russland sei in diesem Prozess nicht fair behandelt worden. Man habe zu wenig Möglichkeiten gehabt, sich zu artikulieren. Bei einer Prozessdauer von zehn Jahren ist das natürlich schwer zu verstehen. Aber wenn man weiss, wie wenig Rücksicht die russische Politik manchmal auf Fakten nimmt, dann ist das nicht sonderlich überraschend.

Russland soll 50 Milliarden zahlen. Kann der wirtschaftlich angeschlagene Staat diese riesige Summe überhaupt stemmen?

Natürlich ist der Betrag astronomisch hoch. Die Winterspiele in Sotschi kosteten auch 50 Milliarden. Diese Summe entspricht zehn Prozent der russischen Währungsreserven und zweieinhalb Prozent des russischen Bruttoinlandprodukts. Theoretisch hat Russland diese Reserven. Aber de facto wird der Staat das nicht zahlen wollen. Er wird nicht einsehen, warum er seine Kassen plündern und gleichzeitig implizit auch noch das Schuldeingeständnis abliefern soll, dass die Zerschlagung von Yukos damals unrechtmässig war. Russland wird sich mit allen Mitteln dagegen wehren.

Welche Instrumente haben die Kläger ihrerseits in der Hand?

Benjamin Triebe

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Er studierte Volkswirtschaftslehre und Politik und arbeitet seit Mai 2012 als NZZ-Wirtschaftskorrespondent in Moskau, von wo er Russland, den Kaukasus und Zentralasien abdeckt.

Eigentlich haben sie nur den Anspruch, aber keine Instrumente. Russland selbst wird ihnen das Geld nicht geben und russische Gerichte werden ihnen das Geld auch nicht zusprechen. Die Kläger können sich an Gerichte im Ausland wenden und versuchen, die Gerichte dort dazu zu bewegen, russisches Staatseigentum im Ausland zu konfiszieren: Zum Beispiel Vermögenswerte von russischen Staatsunternehmen, wie die Produktionsanlagen von Rosneft oder Gazprom, oder auch die Flugzeuge der russischen Fluggesellschaft Aeroflot. Aber das alles wird nicht über Nacht geschehen. Deshalb ist für die Kläger mit diesem Urteil das Endziel noch lange nicht erreicht.

Grosse Teile von Yukos gingen damals an den staatlichen Erdölkonzern Rosneft. Muss der Konzern nun auch mit einer Busse rechnen?

Nicht direkt. Das Verfahren richtete sich gegen den russischen Staat. Deswegen hat sich der Konzern, der auch dank der Yukos-Anteile heute der weltgrösste börsenkotierte Erdölkonzern ist, sich beeilt mitzuteilen, dass es durch dieses Urteil keine Probleme gibt für das eigene Geschäft.

Das Interview führte Anna Lemmenmeier.

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