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International Russlandkennerin kritisiert einseitige Berichterstattung

Russland kam in der letzten Zeit nicht aus den Schlagzeilen heraus: erst die Krise auf der Krim, jetzt in der Ost-Ukraine. Die Rolle Moskaus in diesen Konflikten scheint für die meisten westlichen Medien klar. «Zu klar», sagt die Journalistin Gabriele Krone-Schmalz.

Gabriele Krone-Schmalz

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Portrait von Gabriele Krone-Schmalz
Legende: ZVG

Gabriele Krone-Schmalz ist Fernsehjournalistin und Autorin. Sie war während mehrerer Jahre ARD-Korrespondentin in Moskau. 1997 wurde ihr das Bundesverdienstkreuz für «die Qualität der Fernsehberichterstattung» verliehen. Sie ist Mitglied eines Ausschusses im «Petersburger Dialog», einer Initiative von Präsident Putin und alt Bundeskanzler Schröder.

SRF: Wieso sind Sie der Meinung, dass die Medien einseitig über den Ukraine-Konflikt berichten?

Gabriele Krone-Schmalz: Ich habe festgestellt, dass die deutschen Medien in einem nie dagewesenen Mass von Zuschauer- und Leserpost überschwemmt werden. Nach dem Motto: ‹Wir sind nicht dumm genug, zu glauben, dass es auf der einen Seite die Guten und auf der anderen nur die Bösen gibt.› Das hat mich auf den Plan gerufen. Die Einseitigkeit geht im Grunde bis in die Wortwahl.

Aber es gibt doch vieles, was die Medien zu Recht an Russland kritisieren, etwa den Einmarsch auf der Krim. Wo sehen Sie die Ungerechtigkeit gegenüber Russland?

Sie ist im Grunde schon in Ihrer Frage drin. Es geht nicht um einen Einmarsch der russischen Truppen auf der Krim. Den hat es nie gegeben. Auf der Krim waren laut einem Pachtvertrag russische Truppen stationiert. Der Fehler, den die Russen gemacht haben, ist, dass sie sich ausserhalb der Stellungen bewegt haben, die ihnen laut Pachtvertrag zugewiesen sind. Das darf man sicher nicht beschönigen.

Aber es ging gar nicht um ein Russland-Problem. Der Auslöser des Ganzen war das EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine. Es hätte uns auffallen müssen, dass dieses Abkommen die Ukraine zerreissen wird. Es wäre die Aufgabe der Journalisten in demokratischen Systemen gewesen, zu sagen, ‹kann man das denn nicht anders lösen, als die Ukraine vor die Wahl zu stellen? Gibt es nur ein Entweder-oder? ›. Das war der Beginn der Fehler.

Es ist auffallend: Sobald in den westlichen Medien die Rede von Russland ist, ist auch die Rede von Präsident Wladimir Putin. Vieles wird mit ihm gleichgesetzt, und hier sind die Sympathien oder Antipathien ziemlich klar. Wieso beschränkt man sich so auf Putin?

Das ist ein guter Punkt. Ich habe als Mensch natürlich auch Personen, die mir mehr oder weniger sympathisch sind. Das darf ich in meinem Beruf aber nicht zum Ausdruck bringen. Wir reduzieren kein Land auf der Welt – mir fällt wenigstens keins ein – so auf den Präsidenten, wie wir das bei Russland tun. Das wird den Menschen dort nicht gerecht, auch der Gesellschaft nicht und es trägt erst recht nicht zu einem tieferen Verständnis bei.

Ein TV-Geschäft mit vielen Bildschirmen im Schaufenster, und Putin auf allen Kanälen.
Legende: Putin auf allen Kanälen: Der russische Präsident polarisiert. Reuters

Sie sagen, wir seien mit dem Auge kurzsichtig, mit dem wir auf Russlands Präsidenten schauen. Sehen wir mit dem anderen Auge, mit dem wir auf die Ukraine oder die Rolle der EU schauen, auch nicht so scharf?

Es ist schwierig, Entwicklungen darzustellen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob uns die eine Seite sympathisch ist oder nicht. Es fällt mir schwer, russischen Bekannten zu erklären, wo der Unterschied ist zwischen bewaffneten Milizen in der Ostukraine, die Gebäude besetzen, und bewaffneten Milizen, die das gleiche in Kiew gemacht haben. Die Medien tragen in der Regel eher zur Eskalation bei. Das liegt fast in der Natur der Sache.

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In einer Situation, in der man darauf angewiesen ist, dass Menschen besonnen entscheiden, ist es die Aufgabe der Medien zu deeskalieren und den Blick in alle Richtungen zu lenken. Man darf nicht schon durch die Begrifflichkeit klar machen, wo man mit seiner Sympathie steht. Es geht nicht an, dass ein Begriff wie ‹pro-russischer Mob› es bei uns bis in die Nachrichten schafft. Mich macht die Erfahrung froh, dass die Mehrheit in einer Gesellschaft offenbar irgendwann den Punkt erreicht, wo sie merkt, dass es so einseitig nicht sein kann.

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