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International Sardinien: Schuld sind immer die anderen

Die Sturmschäden auf Sardinien sind enorm – und immer deutlicher wird, dass diese Schäden und Toten nicht alle hätten sein müssen. Illegale Bauten und Behörden-Schlendrian haben das Ihre dazu beigetragen.

Kaum war des Heftigste vorbei, da erhoben die Behörden von Sardinien schwere Vorwürfe gegen den Zivilschutz in Rom: Dieser habe versagt, weil er den Unwetteralarm zu spät verschickt habe. Sardinien habe keine Zeit gehabt, sich auf das Sturmtief «Cleopatra» vorzubereiten.

Das gehört zum üblichen Theater in Italien: Immer nach einem Unwetter, einem Erdbeben – sogar nach überraschendem Schneefall in Rom – werden Schuldige gesucht. Gefunden werden sie nie bei sich selber, im aktuellen Fall also nicht auf Sardinien. Dabei hätten sich die Sarden einiges selbst vorzuwerfen, sagt Giacoma Mameli. Er ist angesehener Journalist auf Sardinien.

«Allergisch gegen jede Vorschrift»

In Olbia, wo es am meisten Tote gab, hätten die Leute entlang eines seit vielen Jahren ausgetrockneten Flusses ihre Häuser gebaut. «Man wusste immer, dass dort bei sehr schweren Regenfällen Wasser kommt. Aber da das schon lange nicht passiert ist, hat man es vergessen», sagt Mameli.

Die Häuser seien so nah ans Flussbett gebaut worden, dass sie bei Hochwasser die seitliche Flussbegrenzung bilden. «Da muss man sich doch nicht wundern, wenn Menschen sterben.» Er wundere sich, dass die Bauverwaltung diese illegalen Bauten überhaupt toleriert hat. Und er fährt fort: «Wir Italiener wollen keine Regeln befolgen, plärren dann aber, wenn etwas passiert. Es sei, als wären wir allergisch gegen jede Vorschrift.»

Die italienischen Zeitungen vom Mittwoch sind voll mit solch selbstkritischen Worten und Aufrufen. «Basta, jetzt reichts's mit dem Schlendrian», steht dort etwa zu lesen. Aber so wie die Schuldzuweisungen zum Drehbuch nach Unglücken gehören, so gehören auch diese Aufrufe dazu. Und es ändert sich – nichts.

Für Uferverbauungen ist kaum Geld da

Die hydrologische Gesellschaft Italiens ihrerseits erinnert einmal mehr an einen ihrer Dutzenden von Berichten, die sie in den vergangenen Jahren publiziert hat: 70 Prozent aller Gemeinden in Italien stehen auf hydrologisch schwierigem Terrain. Das heisst, sie sind bei Regen und Unwettern gefährdet. Exakt 3342 Projekte wie Uferverbauungen oder Instandsetzungen von Entwässerungsgräben wären nötig, um das Land vor Unwetterschäden halbwegs zu bewahren.

Dazu wären ein paar Dutzend Milliarden Euro nötig. Da aber jährlich nur 30 Millionen Euro investiert werden und diese häufig schlecht, bleibt Italien anfällig. Die jährlichen Unwetterschäden allein in der Landwirtschaft belaufen sich auf eine Milliarde Euro, dabei sind Schäden an Gebäuden und Infrastruktur nicht dazu gezählt.

Es wäre also lohnend, das Land würde in diese Infrastrukturprojekte investieren. Es bräuchte nur die Pläne der Hydrologen hervorzuziehen und die Arbeiten zu überwachen. Aber, es passiert praktisch nichts. Im Gegenteil: Wer illegal baut, kann damit rechnen, dass früher oder später sein Haus legalisiert wird – gegen einen kleinen Obolus in die leere Staatskasse.

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