Der Hafen Eyemouth liegt an der schottischen Südostküste. Die Crystal Stream macht sich zum Auslaufen bereit und die Rebecca hat soeben angelegt und wird entladen. Heringe, Makrelen, aber auch Muscheln werden kistenweise in die Lagerhallen am Quai gehievt.
An den Schiffen, Hubstaplern, Lastwagen und Lagergebäuden prangen Yes-Signete. Ja zu Schottland. Der grösste Arbeitgeber der Region setzt sich für die schottische Unabhängigkeit ein.
Oben in seinem Kontor sitzt der Besitzer und Direktor des grössten Fischhandels-Geschäfts Schottlands. Ein Mann mit einem berühmten Namen: James Cook. Nur geht dieser nicht auf Entdeckungsreisen, sondern auf Überzeugungstournee mit seiner Fracht.
Er sei sehr engagiert, betont Cook und spricht von einer einzigartigen Chance: «Und mit unseren Ja-Plakaten auf Lieferwagen oder Lagerhäusern schaffen wir Aufmerksamkeit, und wir kommen mit den Leuten ins Gespräch, jeden Tag.»
Weg von England und werden wie die Skandinavier
Die schottische Regionalregierung habe die Fischindustrie immer unterstützt, während London sich auf Geldausgeben im Südosten Englands spezialisiert habe, stellt Cook weiter fest. Grossbritannien verschulde sich jährlich mit hundert Millionen Pfund, aber das Geld bleibe meist im Süden: 20 Milliarden für einen vierten Londoner Flughafen, 50 für neue Schnellbahnen, das sei doch kein Haushalten. Aber von Schottland aus führe nicht einmal eine Autobahn Richtung Süden.
Weg von England und so werden wie die skandinavischen Länder, das ist der Traum von Cook: «Wir haben gute Beziehungen zu unseren Nachbarn ennet der Nordsee. Ähnliche Leute, ähnliche Industrien, Öl etwa, die Küstenfischerei, auch nicht dicht besiedelt. Und wir sehen, wie erfolgreich die sind. Norwegen ist für uns quasi das Modell.»
«Niemand sagt einem, was man verliert oder gewinnt»
Nicht weit von den Fischhandels-Lagerhallen betreibt Raymond Foulin seinen Fish and Chips-Stand, die Ware bezieht er übrigens von Cook. Aber im Gegensatz zu seinem Lieferanten will er von der schottischen Unabhängigkeit nichts wissen: «Ich stimme Nein, niemand sagt einem, was man verliert oder gewinnt, ob der Euro kommt oder nicht. Alle sagen nur, es werde grossartig mit der Unabhängigkeit, aber niemand sagt, wie es denn grossartig wird.»
Seine Gäste am Stand sind gespalten. John Miller, ein Rentner, meint, das bringe jetzt nichts mehr: «Das kommt alles zu spät. Wir haben ja nichts mehr, kaum noch Industrie, und diese Unabhängigkeit kostet doch nur Geld.»
Die Unabhängigkeit müsse kommen, meint dagegen David McNeil, der ein Süsswaren-Geschäft betreibt. Ein Nein wäre nach seinen Worten schrecklich, Schottland versänke in einer Depression. «Tausende von Menschen würden dann das Land verlassen», warnt McNeil. So schnell komme diese Chance nicht mehr, Schottland müsste wieder lange warten, wohl eine Generation lang.
(brut;amka)