Die Wähler wollten nach zwölf Bloomberg-Jahren – also drei Amtszeiten – eine Veränderung, sagte Lee Miringoff vom Umfrageinstitut Marist im Vorfeld zu den Wahlen. Diese haben die New Yorker nun auch erhalten.
In den vergangenen Jahren machte sich Bill de Blasio einen Namen als lautstarker Kritiker Bloombergs. Und dies lässt die Finanzelite des «Big Apple» unruhig schlafen. De Blasios Thema ist die soziale Gerechtigkeit. Er kündigte im Wahlkampf auch an, die Steuern für reiche New Yorker erhöhen zu wollen.
Dank Reichen soll Wohnraum entstehen
Begründet hat de Blasio sein Vorhaben damit, dass New York in «zwei Städte» zerbrechen drohe: in eine Reichen- und eine Armen-Metropole. Und tatsächlich: In der Millionen-Stadt steigt die Zahl der Luxuswohnungen ebenso wie die Zahl der Obdachlosen. Derzeit leben rund 50‘000 Menschen auf der Strasse.
Daher sollen diejenigen New Yorker mit einen höheren Haushaltseinkommen als 500‘000 Dollar einen Zuschlag auf die Einkommenssteuer zahlen. Dies wären 1,4 Prozent von den 3,5 Millionen Einwohnern. Die Mehreinnahmen beziffert der Demokrat auf 532 Millionen Dollar. Damit sollen erschwinglicher Wohnraum und die Ausweitung des Kinderbetreuungsangebots finanziert werden.
«Che de Blasios» Vorhaben hat einen Haken
Seine Gegner werfen ihm Extremismus vor und nennen ihn in Anlehnung an Che Guevara auch schon «Che de Blasio». Dies weil er als bärtiger junger Linker mit den Sandinisten in Nicaragua sympathisierte und mit seiner Frau in Kuba in den Flitterwochen war.
Sein Vorhaben hat aber einen Haken. De Blasio gibt hier nämlich ein Versprechen, das er nicht halten kann. Denn für die Einlösung des Versprechens, sprich für Steuererhöhungen, sind die Parlamentarier in Albany, dem Hauptort des Bundesstaates New York, zuständig. Dennoch wird es der Bundesstaat einem haushoch gewählten neuen «Mr. Mayor» kaum abschlagen können, die Steuern nicht zu erhöhen.
De Blasios Gegenkandidat warnte die New Yorker vergebens, dass er die Stadt in die Zeit vor Rudolph Giuliani zurückführen wolle. Aber nach den Bloomberg-Jahren, der New York wie ein Manager geführt hatte, wirken de Blasios Ideen eines Sozialstaates mehr als zeitgemäss.
Image des einfachen Mannes
Ein weiteres Thema in de Blasios politischem Portefeuille ist die Sicherheitspolitik. Im Mittelpunkt steht dabei die umstrittene Polizeitaktik «Stop and Frisk». Dabei dürfen Polizisten Passanten auch ohne konkreten Verdacht anhalten und durchsuchen. Diese Methode wurde häufig bei jungen Schwarzen angewendet und wird deswegen von Gegnern häufig als rassistisch bezeichnet.
De Blasio versprach, er würde diese Praxis der Polizei ändern. Zu Gute kommt ihm hier das Image des einfachen Mannes, der im Gegensatz zu anderen reichen Leuten nicht in Manhattan sondern im Stadtteil Brooklyn lebt.
De Blasio ist italienisch-amerikanischer Abstammung und verdankt seinen Erfolg nicht zuletzt seiner ungewöhnlichen Familie. Der 52-Jährige ist mit einer schwarzen Schriftstellerin verheiratet, die selbst von sich sagt, sie sei früher eine Lesbe gewesen. Auch die Kinder wurden medienwirksam in den Wahlkampf eingesetzt. So gilt ein Werbespot, in dem de Blasios Sohn Dante seinen Afro-Schopf zur Schau stellte, als Wendepunkt im Wahlkampf.
Immer noch Karrierepolitiker
Nun wird de Blasio Chef einer Behörde mit 320‘000 Angestellten und einem jährlichen Budget von 68 Milliarden Dollar. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger verfügt der Italo-Amerikaner keine Managementerfahrung. Das lässt de Blasio aber kalt. Er will New York verwalten und nicht führen.
Letztlich ist er ein Karrierepolitiker mit Unterstützung der Clintons. Er bedient das demokratische Establishment, kann aber auch Kompromisse schliessen. Zumindest ein kleines Städtchen in Süditalien freut sich über die Wahl des Demokraten, der die europäische Sozialdemokratie bewundert: De Blasios Grossvater kommt aus Sant’Agata de Goti in der Region Kampanien.